Das Labyrinth des Maal Dweb
hatten, mit einer so ungeheuren Geschwindigkeit dahin, dass sie wie von bleiernen Zwangsjacken in ihren Sitzen festgehalten wurden. Doch Morris schien an solche Raketenflüge kaum weniger gewöhnt als Markley selbst, und sie machten nicht zum ersten Mal gemeinsam Jagd auf einen Landesfeind oder Verräter.
Weiter ging der Flug zwischen dem dunkelblauen Firmament und der dämmrigen Erde mit ihrer Marmorierung aus Wüsten und Gebirgszügen. In der dünnen Luft klang das Röhren der Raketentriebwerke sonderbar gedämpft. Vor ihnen funkelte das Licht der hellen, westwärts sinkenden Sonne auf den Tragflächen und dem Rumpf des Japaners wie auf einem riesigen Silberkäfer. Sie flogen weit entfernt von den verkehrsreichen Routen in der Stratosphäre, und außer ihnen beiden zerteilte kein weiteres Flugzeug den windlosen Abgrund, durch welchen Jäger und Gejagter der Sierra Nevada und dem weit entfernten Pazifischen Ozean entgegenstürzten.
Kaum 1500 Meter trennten die beiden Flugzeuge jetzt noch voneinander. Kein Zeichen offener Feindseligkeit ging von dem Japaner aus, dessen schweres Maschinengeschütz der Bewaffnung des Verfolgers an Reichweite in nichts nachstand. Neben Sakamoto und dem Piloten befand sich auch ein fähiger Schütze an Bord. Morris begann, sorgsam die Schussweite zu berechnen. Er rechnete mit einem fairen Kampf und fieberte vor Erwartung. Der Spion musste um jeden Preis daran gehindert werden, San Francisco zu erreichen, wo der Feind einen hart erkämpften Stützpunkt errichtet hatte. Falls sie in dem Duell unterlagen, konnten er oder Markley als letztes Mittel per Funk weitere Flieger von einem der US-Stützpunkte in Kalifornien anfordern, um Sakamoto abzufangen.
Weit voraus erblickte er durch die unglaublich klare Luft hindurch undeutlich die Einkerbungen der kalifornischen Berge am endlos weit gestreckten Horizont. Dann, während die Flugzeuge weiter voranrasten, schien es ihm, dass hinter dem Japaner mitten in der Luft ein vager, nebelhafter Schleier auftauchte, als würden seine Augen von der Sonne geblendet. Der Schleier wirkte unerklärlich, wie ein blinder Fleck in der Atmosphäre, der weder Form noch Farbe noch klare Umrisse besaß. Doch schien er rasch anzuwachsen und die dahinterliegende postkartenähnliche Idylle auf unerklärliche Weise zu verschlucken.
Auch Markley hatte den Schleier bemerkt.
»Wie seltsam«, brüllte er übers Audiofon. »Jederlei Nebel- oder Wolkenbildung ist in dieser Höhe völlig unmöglich. Das kann nur irgendeine sonderbare atmosphärische Erscheinung sein – etwa die Fata Morgana einer fernen Wolke, die sich auf der isothermischen Luftschicht widerspiegelt. Aber ich kann’s nicht genau erkennen.«
Morris erwiderte nichts. Vor lauter Verblüffung brachte er die eher belanglose Bemerkung, die ihm auf der Zunge lag, nicht über die Lippen. Denn in diesem Augenblick schien das japanische Raketenflugzeug in den rätselhaften Schleier einzutauchen und verschwand sofort außer Sicht, als habe eine echte Wolke oder Nebelwand es verschluckt. Man sah ein flüchtiges, zitterndes Aufglänzen seines Rumpfs und seiner Tragflächen, als ob es plötzlich abstürzte oder abrupt den Kurs änderte – und dann war es fort, verschwunden hinter dem farblosen, formlosen Schleier.
»Das ist ja sogar noch sonderbarer«, bemerkte Markley verdutzt. »Aber die werden uns nicht abschütteln, indem sie einfach in eine verdammte Luftspiegelung hineinfliegen, oder womit immer wir es zu tun haben. Wir werden sie uns in Nullkommanichts auf der anderen Seite wieder schnappen.«
Ihr Flieger raste mit 1000 Stundenkilometern schnurgerade auf den befremdlichen Schleier zu, der inzwischen einen großen Teil des Firmaments und der Erde verbarg. Es schien, als breite sich eine Art Blindheit über den höheren Luftschichten aus. Dennoch rief der Schleier nicht den Eindruck von Dunkelheit oder etwas Stofflichem oder Fasslichem hervor. Während sie darauf zuflogen, meinten sowohl Morris als auch Markley, dass sie mit ihren angestrengten, genarrten Augen auf etwas starrten, das buchstäblich jenseits des menschlichen Sehbereichs lag. Sie schienen nach einem ungreifbaren Bild zu tasten – nach einem unirdischen Schatten, der sich dem Blick entzog – nach einer Erscheinung, die weder Dunkelheit noch Licht war und keine bekannte Farbe besaß.
Noch einen Augenblick lang fraß der Schleier das Firmament mit grauenhafter Schnelligkeit. Dann schoss das Flugzeug in den Schleier hinein, und im selben
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