Das Labyrinth des Maal Dweb
namenlose Wesenheit, deren Macht sie womöglich bereits unterlegen waren.
Sosehr ich mich bisher auch von Narretei und Trägheit in dieser Sache hatte verleiten lassen, jetzt gab es kein Zögern mehr. Nach wenigen Minuten halsbrecherischer Fahrt durch das sanfte Mondlicht erreichte ich den waldigen Rand des Chapman-Grundstücks. Wie schon bei meinem vorangegangenen Besuch ließ ich den Wagen stehen und stürzte mich Hals über Kopf durch die schattenhaften Bäume den Hang hinab. Noch im Laufen hörte ich weit unten aus der Senke einen schrillen Entsetzensschrei, der unvermittelt abbrach. Ich glaubte zu wissen, dass es Avis’ Stimme gewesen war, aber ich hörte sie nicht wieder.
In verzweifeltem Lauf erreichte ich den Wiesengrund. Weder Avis noch Amberville konnte ich sehen. Während ich mich noch hastig umschaute, war mir, als ob der Ort von seltsam sich windenden und dahinziehenden Nebelschwaden erfüllt sei, welche die tote Weide und die anderen Gewächse nur undeutlich erkennbar machten. Ich rannte zum überwachsenen Tümpel, und als ich näher kam, ließ mich ein plötzlicher und zweifacher Schrecken innehalten.
Avis und Amberville trieben im seichten Tümpel, ihre Körper schon halb von der erstickenden Algenmasse bedeckt. Das Mädchen wurde fest von den Armen des Malers umklammert, als ob er sie gegen ihren Willen mit sich in diesen elenden Tod getragen hatte. Ihr Antlitz war halb von jenem ekligen grünlichen Schleim bedeckt, doch Ambervilles Gesicht, das er unter ihrer Schulter vergraben hatte, konnte ich nicht sehen. Scheinbar hatte ein Kampf stattgefunden; doch nun trieben beide reglos und von ihrem Verhängnis überwältigt im Wasser.
Dennoch war es nicht allein dieser Anblick, der mich zitternd und wie im Irrwitz von der Wiese trieb, ohne dass ich auch nur den geringsten Versuch unternommen hätte, die Leichen der Ertrunkenen zu bergen. Das wahre Grauen fand sich in dem Wesen, das ich aus der geringen Entfernung für die Schwaden eines langsam wallenden aufsteigenden Nebels gehalten hatte.
Es war kein Dunst, auch sonst nichts von der Natur Vorgesehenes – diese bösartige, leuchtende, fahle Ausdünstung, die die gesamte Szenerie vor mir wie eine ruhelose und hungrig bebende Erweiterung ihrer Umrisse umschlang. Es war ein geisterhaftes Nachbild des bleichen Weidegerippes, der absterbenden Erlen, des Schilfes, des reglosen Tümpels und seiner selbstmörderischen Opfer. Die Landschaft war wie durch einen Film hindurch erkenntlich; doch schien sich der Dunst an einigen Stellen zu winden und in einer unheilvollen, schrecklichen Regung zu verdicken.
Aus diesen Verwirbelungen sah ich, als würge sie der allumfassende Dunst heraus, drei menschliche Gesichter hervortreten. Sie bestanden aus eben dieser Nebelmasse, welche weder Dunst noch Plasma sein konnte. Ein Gesicht schien sich aus dem Stamm der gespenstischen Weide zu lösen, das zweite und dritte waberten aus dem wallenden Phantomteich empor, und ihre Leiber trieben ihnen gestaltlos durch die spinnwebgleichen Zweige hinterher. Ich erkannte die Gesichter des alten Chapman sowie von Francis Amberville und Avis Olcott.
Hinter diesem unheimlichen, gespenstischen Geisterbild ihrer selbst höhnte die eigentliche Landschaft und verbreitete dieselbe höllische, vampirische Ausstrahlung, die sie bereits am Tage besessen hatte. Doch nun schien es, als sei der Ort nicht länger reglos – als wimmele er unter einem unheilvollen geheimen Leben – als griffe er nach mir mit seinem schleimigen Wasser, den Knochenfingern seiner Bäume, den gespenstischen Gesichtern, die er aus seinem todbringenden Sammelbecken ausgespien hatte.
Für kurze Zeit erstarrte selbst das Entsetzen in mir. Wie gebannt blieb ich stehen und beobachtete, wie die bleiche, gottlose Ausdünstung sich über die Wiese erhob. Durch weiteres Wabern der sich krümmenden Masse näherten sich die drei Gesichter einander allmählich. Langsam und auf unbeschreibliche Weise vereinten sie sich zu einem androgynen Schreckensantlitz, das nicht alt und auch nicht jung zu sein schien, das sich schließlich in den länger werdenden Phantomzweigen der Weide festsetzte – den Knochenhänden des Baumgerippes, die nun auch nach mir griffen. Da konnte ich den Anblick nicht länger ertragen und stürmte davon.
Es bleibt nur noch wenig zu berichten, denn nichts, was ich meiner Erzählung hinzufüge, könnte das abscheuliche Mysterium auch nur im Ansatz lindern. Die Wiese – oder das Wesen, das der Wiese innewohnt
Weitere Kostenlose Bücher