Das Labyrinth des Maal Dweb
Gewässer millionenfache, unheilvoll-bizarre Riffelungen hinterlassen hatte. Flankiert von diesen Felswänden, die sich spiralförmig und scheinbar endlos über eine Strecke äußerster und hoffnungsloser Ödnis immer weiter in die Tiefe schraubten, flog ich langsam dahin.
Über mir ward das Licht immer schwächer, während Überhang um Überhang, Steilwand um Steilwand aus diesem befremdlichen roten Gestein sich zwischen meine Schwingen und den offenen Himmel schoben. Jäh beschrieben die Felswände eine Biegung; ich folgte ihr. Und hier, in abgründigster Tiefe, wohin die Sonnenstrahlen nur zur Mittagsstunde für flüchtige Minuten fielen und ewiger Schatten die Felsen purpurn färbte, stieß ich auf einen Teich mit dunkelgrünem Wasser – der letzte, pfützengleiche Rest des einstigen Ozeans, der inmitten steiler, unüberwindbarer Felswände Tropfen für Tropfen versickerte. Und aus diesem Weiher erklang eine klagende Stimme, und ihr Ton klang so lieblich-süß wie der tödliche Wein der Alraune und so schwach wie das Rauschen aus Muschelgehäusen. Und die Stimme, sie sprach:
»Haltet inne und verweilt, ich bitt Euch, und sagt mir, wer Ihr seid und von wannen Ihr in die fluchwürdige Einöde kamt, darinnen ich verende.«
So verhielt ich denn am Rande des Weihers, spähte in seine schattige Tiefe hinab und erblickte den fahlen Schimmer einer weiblichen Gestalt, die sich aus dem Wasser erhob. Und die Gestalt war die einer Sirene, und sie hatte Haar von der Farbe des Seetangs und Augen so gelb wie Beryll und einen Schwanz mit der Fluke eines Tümmlers. Und ich sagte zu ihr:
»Ich bin der Dämon Charnadis. Wer aber seid Ihr, dass Ihr in einer solch bodenlos grässlichen Grube verweilt, in den Eingeweiden eines sterbenden Planeten?«
Sie antwortete: »Ich bin eine Sirene, und mein Name lautet Lyspial. Von dem Meer, worinnen ich vor vielen Hundert Jahren nach Herzenslust tauchte und tollte und dessen furchtlose Seefahrer ich am Strand meines unseligen Eilands in einen verwunschenen Tod lockte, ist nur noch diese Pfütze übrig. Weh mir! Denn mein Pfuhl schwindet täglich dahin, und ist er dereinst nicht mehr da, dann muss ich ebenso dahingehn.«
Sie begann zu weinen, und ihre salzigen Tränen fielen hinab und vermählten sich mit dem salzigen Wasser.
Gern hätt ich sie getröstet. Also sprach ich zu ihr:
»Weinet nicht, denn ich werde Euch auf meine Schwingen heben und auf einen jüngeren Planeten entführen, wo die azurblauen Gewässer vieler Meere zu einem glitzernden Gewebe aus schneeweißer Gischt zerstäuben, und auf flache Gestade, begrünt und vergoldet von taufrischem Frühling. Dorten werdet Ihr, vielleicht für alle Zeiten, verweilen, und Galeeren mit bemalten Rudern und stattliche Barken unter purpurfarbenen Segeln werden im Abendrot sturmumtoster Sonnenuntergänge auf Eure Klippen gelockt. Das Knirschen und Krachen ihrer reich verzierten Buge wird sich alsdann in den süßen Zauber Eures tödlichen Gesanges mischen.«
Doch sie weinte weiter und war nicht zu trösten, und sie klagte:
»Ihr seid gütig, doch wird dies mir nicht helfen, denn ich ward aus den Gewässern dieser Welt geboren, und so muss ich auch mit ihnen vergehen. Weh!, um meine lieblichen Meere, die in endlosen saphirblauen Strömen von ewig blühenden Gestaden zu ewig schneebedeckten Küsten rauschten! Weh!, um die Meereswinde mit ihrem Duftgemisch aus Salzwasser und Seegras und ihrem Geruch nach Meeresblumen und den Blumen des Landes und nach von weit her übers Meer getragenen exotischen Balsamen! Weh!, um die Quadriremen aus längst beendeten Kriegen und um die schwer beladenen Handelsschiffe mit Segeln und Tauwerk aus Muschelseide, die mit ihrer Fracht aus Topas und granatfarbenen Weinen und Jade und Elfenbeingötzen zwischen barbarischen Inseln fuhren, in jenen so lang schon verflossenen Sommern, von denen jetzt keine Legende mehr kündet! Weh!, um die ertrunkenen Kapitäne und die schönen toten Matrosen, die vom Ebbstrom zu meinen Lagern aus bernsteingelbem Seegras, in meine Grotten unterhalb einer von Zedern bewaldeten Landspitze getragen wurden! Weh!, um die Küsse, die ich auf ihre kalten, fahlen Lippen hauchte, auf ihre geschlossenen, marmorblassen Lider!«
Und Kummer und Mitleid ergriffen mich bei ihren Worten, denn ich wusste, dass sie die beklagenswerte Wahrheit sprach, dass das Schwinden der bitteren Wasser ihren Tod bedeutete. Daher entbot ich ihr nach reichlich bekundeten Beileidswünschen, die ebenso hilf- wie
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