Das Labyrinth des Maal Dweb
deren lederhäutige Flügel das Tal verdunkelten.
Immer näher rauschten sie heran. Bald sah er die kalten, scharlachroten Augen unter den schuppigen Brauen, betrachtete ihre langen, gewellten Leiber und ihre Echsenglieder mit den Krallenklauen. Er vernahm ihre Stimmen, das dunkle Gezisch ihrer Sprache. Die Blumenfrau, die ihn verbarg, zuckte vor den niederfahrenden Ungeheuern zurück und schlug die schlotternden Blütenblätter um ihren Leib, die sich dabei eng um den Zauberer krampften. Alles war Entsetzen, Panik, Konfusion. Doch auch im Dunkeln wusste Maal Dweb, der Zeuge des vorangegangenen Raubs geworden war, dass zwei Ispazare den Blumenstängel mit ihren Schweifen umschlungen hielten, kraftvoll wie Würgeschlangen, und ihn aus dem Boden zogen – so, wie etwa ein menschlicher Hexer eine Alraunenwurzel aus der Erde rupft.
Er spürte das qualvolle Zucken der entwurzelten Blume, er hörte das mitleiderregende Wehgeschrei ihrer Schwestern. Dann verstärkte sich der donnernde Flügelschlag, und den Magier überkam das Gefühl eines schwindelerregenden Aufstiegs und Fluges.
Währenddessen hatte Maal Dweb die äußerste Geistesgegenwart behauptet und seine Anwesenheit gegenüber den Ispazaren nicht verraten. Nach einiger Zeit verlangsamte sich der stürmische Flug. Daran erkannte Maal Dweb, dass die Echsen sich ihrer Felsenburg näherten. Gleich darauf verdunkelte sich der rosige Schimmer der ihn umschließenden Blätter zu düsterer Purpurglut, wie beim Übertritt aus hellem Sonnenschein an einen Ort finsterer Schatten.
Der donnernde Flügelschlag verstummte abrupt. Die lebende Blume schien nach unten zu fallen und prallte auf einen harten Untergrund. Fast hätte die Wucht des Aufschlags den Zauberer aus seinem Versteck geschleudert. Schwach zuckend und stöhnend lag die Blumenfrau auf dem Fleck, wo ihre Entführer sie hingeworfen hatten. Der Zauberer vernahm die zischenden Stimmen der reptilhaften Hexer, hörte das raue, helle Scharren ihrer geschuppten Schweife auf steinigem Boden, während sie sich entfernten.
Leise sprach Maal Dweb der sterbenden Blumenfrau Trost zu. Zugleich spürte er, wie die Blütenblätter, die ihn umschlossen, erschlafften. Mit äußerster Vorsicht kroch er hervor und fand sich inmitten einer gewaltigen, düsteren Gewölbehalle wieder, deren Fensterlöcher den Eingängen einer tiefen Höhle glichen. Dieser Ort schien eine Alchemistenküche zu sein, eine Grotte ungeahnter Hexenkünste und perfider Giftmischerei. Überall schälten sich bizarr geformte Bottiche, Tiegel, Retorten, Scheideöfen, Schmelzpfannen und Destillierkolben aus dem Zwielicht, die aus Maal Dwebs Zwergensicht turmhoch emporragten.
Unweit von ihm dampfte, einem Vulkankrater aus nachtschwarzem Erz gleich, ein mächtiger Kessel, dessen bauchige Wände weit über das Haupt des Magiers hinauswuchsen. Keiner der Ispazare war in Sicht. Doch Maal Dweb wusste nur zu gut, dass die Echsen jeden Moment wieder auftauchen konnten. Daher rüstete er sich in aller Eile für den Kampf gegen sie und verspürte dabei zum ersten Mal seit vielen Jahren den Kitzel der Gefahr und das Fieber der Vorfreude.
Ein paar Handgriffe am zweiten Medaillon schenkten ihm sein gewohntes Körpermaß zurück. Die Giftküche, obschon immer noch geräumig, erschien ihm nicht länger wie eine Halle der Riesen. Der Rand des verkleinerten Kessels an seiner Seite reichte ihm nun gerade noch bis zur Schulter. Jetzt konnte er sehen, dass in diesem Kessel ein unheiliges Zutatengemisch kochte, darunter klein gehackte Teile der entführten Blumenfrauen, Schimärengalle und die Ambra von Meeresungeheuern. Erhitzt von verborgenen Flammen brodelte und schäumte das Gebräu im Kessel, warf schwarze, pechartige Blasen und verbreitete einen ekelhaft stinkenden Rauch.
Mit dem geschulten Blick des All-Meisters sämtlicher chemischer Künste taxierte Maal Dweb die diversen Inhaltsstoffe des Gebräus und vermochte so, dessen Verwendung vorherzubestimmen. Die Schlussfolgerung, die sich ihm aufdrängte, war ein wenig erschreckend und vertiefte seinen Respekt vor den Fähigkeiten und dem Stand der Wissenschaft dieser reptilischen Hexer. Ihm wurde klar, dass es wahrlich nottat, ihrer Evolution Einhalt zu gebieten.
Kurzes Besinnen brachte ihn darauf, dass die Beimischung einiger einfacher Zutaten zu dem Gebräu den Gesetzen der Chemie zufolge eine Wirkung hervorbrächte, welche die Ispazare weder wünschten noch erwarteten. Auf den hohen Tischen, die an den Wänden der
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