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Das Labyrinth des Maal Dweb

Das Labyrinth des Maal Dweb

Titel: Das Labyrinth des Maal Dweb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Asthon Smith
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Verzückung, in der ein Gutteil Furcht mitschwang, lenkte seine Schritte zum Tempel der Göttin hinauf.
    Während er ausschritt, wurde er sich seiner Gewandung bewusst. Wie sonderbar! Warum steckte er in solch hässlichen und unpassenden Kleidern? Er begann, sie sich vom Leib zu zerren und eines nach dem anderen fortzuwerfen. Nacktheit war eine von den Priestern geforderte Grundbedingung für die Rolle, welche ihm zugedacht war.
    Ringsumher drang leises, vielstimmiges Raunen an sein Ohr. Gestalten in vielfarbigen Gewändern oder mit schimmernder bernsteingelber Haut huschten zwischen den urtümlichen Pflanzen dahin. Auch die Priester und die Gläubigen hatten sich auf den Weg zum Tempel gemacht.
    Seine Erregung wuchs. Und je näher er seinem Ziel kam, desto schwärmerischer und ekstatischer wurde sie. Sein ganzes Wesen ward durchdrungen von der abergläubischen Ehrfurcht des Frühmenschen, von der angsterfüllten Verehrung, die er den unerklärlichen Mächten der Natur entgegenbrachte. Übermannt von einem andächtigen Schauder, spähte er zur Mondin hinauf, die am Firmament emporstieg, und erblickte in dem runden Gestirn das Antlitz einer Gottheit, die sowohl gütig wie auch grausam war.
    Nun sah er den Tempel, der weißlich schimmernd über die Wipfel der gigantischen Farnwedel hinausragte. Die Mauern lagen nicht länger in Trümmern, die zerbröckelten Quader türmten sich makellos und fest gefügt wie ehedem. Die Erinnerung an den Besuch, den er diesem Ort in Begleitung Thorways abgestattet hatte, schien verschwommen wie ein Fiebertraum. Doch an frühere Besuche während seines Lebens als Matla und an rituelle Handlungen der Rhalu-Priester, denen er einst beigewohnt hatte, erinnerte er sich mühelos und deutlich. Ihm waren die Gesichter vertraut, die er bald erblicken würde, ebenso das Ritual, das ihm bevorstand.
    Er dachte hauptsächlich in Bildern. Doch Wörter aus einer fremden Sprache harrten auf der Schwelle seiner Erinnerung und Satzfetzen trieben mit unbewusster Leichtigkeit durch seinen Sinn – Satzfetzen, die er noch vor einer Stunde für unverständliches Kauderwelsch gehalten hätte.
    Matla spürte die gebannten Blicke Hunderter von Augen, als er den großen dachlosen Tempel betrat. Im Inneren drängten sich Menschen, deren runde Gesichter einen prä-arischen Typus verrieten. Vieler dieser Gesichter kamen ihm vertraut vor. Doch im Augenblick waren sie allesamt Teil eines mystischen Grauens, furchterweckend und undurchdringlich wie die Nacht. Vor sich konnte er nichts klar erkennen, außer einem Durchlass in der Menge, der zu dem Altarstein führte, um den die Rhalu-Priester versammelt standen und auf den Rhalu selbst aus fast lotrechter Höhe in erbarmungsloser, eisiger Pracht hinabsah.
    Festen Schritts ging er voran. Die Priester, deren nachtblaue und gelbe Ornate den Farben der Mondin entsprachen, empfingen ihn mit teilnahmslosem Schweigen. Er zählte sie ab und stellte fest, dass sich nur sechs Priester anstelle der erforderlichen sieben hier aufhielten. Unter den anwesenden Geistlichen befand sich einer, der eine große, flache Schale aus Silber bereithielt. Doch der siebte, dessen Hand einen langen, gekrümmten Dolch aus kupferähnlichem Metall erheben würde, war noch nicht erschienen.
    Thorway war es eigentümlich schwergefallen, sich auf die halb vollendete Monografie über etruskische Grabstätten zu konzentrieren. Schließlich bewog ihn eine vage, aufreizende Unruhe dazu, das Buhlen um seine widerspenstige archäologische Muse einzustellen. Erfüllt von wachsendem Verdruss, das Ende der unerfreulichen und zwecklosen Reise herbeisehnend, kletterte er an Deck.
    Der Mondschein blendete ihn mit unnatürlicher Helligkeit, und im ersten Moment entging ihm, dass die Bambusliege leer war. Als er Morleys Abwesenheit bemerkte, verspürte er eine eigenartige Mischung aus Besorgnis und Verärgerung. Etwas verriet ihm, dass Morley nicht in seine Kajüte zurückgekehrt war. Er trat zur landwärts weisenden Seite des Schoners und erkannte ohne große Überraschung, dass das vertäute Boot fehlte. Morley musste an Land gegangen sein, um der Tempelruine im Mondschein einen Besuch abzustatten.
    Dieser neue mutmaßliche Beweis für die Überspanntheit und geistige Verwirrung seines Brötchengebers beunruhigte Thorway sehr. Ein ungewohntes, aber umso tieferes, fast feierliches Gefühl der Verantwortung regte sich in ihm. Eine innere Stimme, fremd und doch halb vertraut, schien zu ihm zu sprechen und ihm

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