Das Labyrinth des Maal Dweb
Bedeutung nicht ganz sicher, da mein Arabisch lückenhaft ist, und habe festgestellt, dass der Absatz in der lateinischen Ausgabe des Olaus Wormius zur Gänze fehlt. Ich danke Ihnen für Ihre gelehrsame Übertragung. Sie haben ihn mir wirklich erhellt.«
Seine Stimme klang ausdruckslos und förmlich, als ob er sich zurückhielt und eine ganze Welt unaussprechlicher Gedanken und Gefühle in sich verschloss. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass Carnby sogar noch nervöser und aufgewühlter war als zuvor und dass meine Übersetzung aus dem Necronomicon auf irgendeine geheimnisvolle Weise noch zu seiner Verstörung beigetragen hatte. Er machte ein schauerlich gequältes Gesicht, als ob sein Verstand sich mit einem unliebsamen und verbotenen Thema befasste.
Allerdings schien er sich wieder zu fangen und bat mich um die Übersetzung eines weiteren Abschnitts. Dieser erwies sich als eine lange Gesangformel zum Exorzieren von Toten in Verbindung mit einem Ritual, das die Verwendung seltener arabischer Gewürze sowie den fehlerfreien Vortrag der Namen von über 100 Ghoulen und Dämonen erforderte. Ich legte alles schriftlich für Carnby nieder, und dieser betrachtete das Blatt mit einer Hingerissenheit, die über die Ekstase eines Gelehrten weit hinausging.
»Auch dieser Absatz steht nicht bei Olaus Wormius.« Noch einmal las er den Zettel durch, faltete ihn dann sorgfältig und legte ihn in die gleiche Schublade, aus der er zuvor das Necronomicon hervorgeholt hatte.
Dieser Abend gehörte zu den sonderbarsten, an die ich mich erinnern kann. Während wir stundenlang beieinandersaßen und Übersetzungen aus dem teuflischen Band diskutierten, kam ich mehr und mehr zu dem Schluss, dass mein Arbeitgeber vor irgendetwas eine Todesangst hatte; es graute ihm davor, allein zu sein, und er behielt mich eher aus diesem Grund bei sich als aus einem anderen.
Immer wieder wirkte er, als ob er innehielt und mit schmerzlich gequältem Gesichtsausdruck auf etwas lauschte, und ich bemerkte, dass er den Gesprächen nur mechanische Aufmerksamkeit schenkte. Inmitten der makabren Ausstattung dieses Raumes, in dieser Atmosphäre des formlosen Bösen, des ungenannten Entsetzens gab der vernunftgeprägte Teil meines Verstandes unter dem Hervorbrechen finsterer vorzeitlicher Ängste nach. Im Zustand geistiger Klarheit hatte ich diesen Dingen stets Verachtung entgegengebracht, doch mittlerweile war ich vollends bereit, die scheußlichsten Schöpfungen eines abergläubischen Geistes ernst zu nehmen. Zweifellos hatte ich mich durch eine Art geistige Ansteckung in den Bann des verborgenen Grauens begeben, unter dem Carnby litt.
Allerdings gab der Mann durch kein Wort und keine Silbe die wahren Gefühle hinter seinem Gebaren zu, sondern sprach wiederholt von einem Nervenleiden. Während unserer Diskussion versuchte er mehr als einmal den Eindruck zu vermitteln, dass sein Interesse am Übernatürlichen und Satanischen rein intellektueller Art sei, dass er ebenso wie ich solchen Angelegenheiten keinerlei eigenen Glauben schenke. Dennoch wurde mir untrüglich klar, dass er log; dass ihn ein realer Glaube an all das, was er mit wissenschaftlicher Distanz zu betrachten vorgab, antrieb und in Besitz genommen hatte. Zweifellos war er einem imaginären Schrecken zum Opfer gefallen, der sich bei seinen okkulten Forschungen herausgebildet hatte. Doch vermochte meine Intuition mir keinen Hinweis auf die wahre Beschaffenheit dieses Schreckens zu geben.
Die Geräusche, die auf meinen Arbeitgeber eine derart verstörende Wirkung ausgeübt hatten, ereigneten sich nicht wieder. Wir mussten bis lange nach Mitternacht über den aufgeschlagenen Schriften des wahnsinnigen Arabers gesessen haben.
Schließlich schien Carnby zu bemerken, wie weit die Stunden schon vorangeschritten waren: »Ich fürchte, ich habe Sie viel zu lange wach gehalten«, sagte er entschuldigend. »Sie sollten sich Ihren Schlaf gönnen. Ich bin etwas selbstsüchtig, und dabei vergesse ich, dass andere Menschen im Unterschied zu mir an solche Arbeitszeiten nicht gewöhnt sind.«
Wie es die Höflichkeit verlangte, bestritt ich seine Selbstbezichtigung, entbot ihm eine gute Nacht und suchte mit einem gewaltigen Gefühl der Erleichterung mein Schlafgemach auf. Es kam mir so vor, als ob ich in Carnbys Zimmer sämtliche schattenhaften Ängste und Beklemmungen zurückließ, denen ich ausgesetzt gewesen war.
Im langen Flur brannte nur ein einziges Licht. Es hing nahe bei Carnbys Tür, und der Eingang
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