Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
auslöschten.
Bevor er losrannte, warf León einen Blick hinter sich und blickte kurz den dunklen Gang hinab, den er entlanggekommen war. Noch war von seinen Verfolgern nichts zu sehen, aber er hörte bereits das Stampfen ihrer Stiefel.
Gleichzeitig entdeckte León, dass nach all den Jahren immer noch der Schlüssel im Schloss steckte. Er warf sich gegen die Tür, die krachend zufiel, dann fingerte er an dem Schlüssel herum. Zuerst bewegte sich nichts. Seine Finger schmerzten vor Kälte. Wahrscheinlich verschwendete er hier nur kostbare Zeit, aber schließlich erklang das ersehnte Knirschen und der Schlüssel drehte sich im Schloss.
Gerade rechtzeitig. Auf der anderen Seite stürmten die Verfolger gegen die Tür. Wütende Rufe erklangen.
León wandte sich um und rannte zufrieden grinsend den anderen durch das Schneegestöber hinterher.
Mary erwachte aus einer tiefen Bewusstlosigkeit. Sie erinnerte sich weder daran, wo sie sich befand, noch was geschehen war. Um sie herum herrschte Finsternis. Ihr Körper schmerzte, besonders ihre Hüfte und ihr Kopf. Sie richtete sich vorsichtig auf und tastete sich ab. Mary seufzte erleichtert, als sie feststellte, dass sie sich nichts gebrochen hatte. Dann kam die Erinnerung zurück.
Wir sind geflohen.
Ich bin einen Gang entlanggerannt.
Da war ein Ausgang. Und dann plötzlich nichts mehr.
Wo sind León, Mischa, Jenna und Jeb?
Sie erschauerte. Was, wenn die anderen sie zurückgelassen hatten?
Nein, das würden sie nicht tun. Sie werden gleich da sein, um mir zu helfen. Nur einen Augenblick noch.
Warum ist es hier so dunkel?
Ein schabendes Geräusch neben ihr ließ sie zusammenzucken.
Was war das? Etwa eine Ratte?
»Na, was haben wir denn da?«, erklang eine raue Stimme.
Mary glaubte, ihr Herz würde augenblicklich stehen bleiben.
Hände tasteten ihren Körper ab, dann sagte jemand: »Sie ist unbewaffnet.«
Mary wurde grob gepackt und auf die Füße gezogen. Sie wollte schreien, um Hilfe rufen, aber die Angst schnürte ihr die Kehle zu. Ein Sack wurde über sie gestülpt und fest verzurrt. Der raue Stoff kratzte über ihr Gesicht. Sie bekam kaum noch Luft, dann wurde sie hochgehoben. Man trug sie fort. Fort von ihren Freunden.
Wohin bringt ihr mich?
Irgendwohin, wo weitere Schrecken auf sie warten würden.
Sie war zu schwach, um sich zur Wehr zu setzen. Nicht einmal den Mut für einen Versuch, sich zu befreien, konnte sie aufbringen.
»Wo bringt ihr mich hin?«, flüsterte sie. »Wer seid ihr?«
Niemand machte sich die Mühe, ihr zu antworten.
Mary begann, still zu weinen.
Kathy war über und über mit Asche bedeckt. Ihre Kleidung, ihr wildes Haar und vor allem ihr Gesicht waren schwarz verschmiert. In all dem Schmutz wirkten ihre Augen unnatürlich weiß. Ein irrer Blick lag darin, der ruhelos über die Wände und den leblosen Körper vor ihr wanderte.
Sie lebte. Hatte ihren Gegner im Kampf besiegt. Kathy legte ihren Kopf in den Nacken, riss den Mund weit auf und brüllte ihren Triumph heraus. Durch ihren Kopf huschten wirre Gedanken. Sie dachte an ihre Schwester Liz und deren Freunde aus den noblen Teilen der Stadt.
Wenn du mich jetzt sehen könntest, hättest du Respekt vor mir. Das verächtliche Lächeln, das du immer im Gesicht trägst, wenn du mich anschaust, wäre weggewischt und du wüsstest, dass du mich fürchten solltest.
Kathy begann, leise zu kichern, dann immer lauter. Ihr Blick fiel auf den Toten. Wie eine zerbrochene Puppe lag er da. Kathy ging zu dem Mann hinüber und hockte sich neben ihn. Dann jubelte sie laut auf.
Er war tot und sie am Leben. So würde es allen ergehen, die sich ihr in den Weg stellten.
Als sie wieder aufstehen wollte, entdeckte sie das Messer des Mannes. Sie griff danach. Schwer lag es in ihrer Hand. Endlich war sie wieder bewaffnet. Sie prüfte die matt glänzende Klinge und ächzte zufrieden. Das Ding war verdammt scharf. Sie sah stumm auf ihren blutenden Daumen hinab, dann verschmierte sie die rote Farbe in ihrem Gesicht, bevor sie das restliche Blut vom Daumen leckte.
Kathy richtete sich stolz auf.
Ihr Weg war noch nicht zu Ende. Noch lange nicht. Sie würde sich den Weg zu den Toren erkämpfen. Gegen wen auch immer.
Plötzlich hörte sie von draußen ein Geräusch. Rasch huschte sie ans Fenster, verbarg sich in der Ecke und schaute hinaus in das Schneetreiben.
Ich stehe bereit, ihr könnt kommen.
Da waren Gestalten. Zwei Männer. Grau, hager, zerlumpt. Auf der anderen Straßenseite kamen sie näher. Sie
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