Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
zusammenzuckte und automatisch nach seiner Hand fasste.
»Nein. Ich werde zurückgehen. Mischa ist für uns durch die Schlucht geklettert, du hast Jenna durch die Ebene getragen. Jetzt bin ich dran, ich habe noch die größten Reserven.«
Mischa wollte etwas erwidern, aber León ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Du bist noch immer verletzt und hast Schmerzen. Das kannst du vor uns nicht verheimlichen. Vielleicht hast du Angst davor, von uns zurückgelassen zu werden, wenn du Schwäche zeigst.«
Kathy wird es wahrscheinlich sowieso nicht schaffen. Und falls doch, werde ich zu verhindern wissen, dass sie durch eines der Tore schreitet.
»Warum tust du das?«, wollte Jeb wissen.
León lächelte. »Ich habe dir doch versprochen, auf Mary aufzupassen.«
Beide wussten, dass es so nicht stimmte. Doch Jeb nickte nur. León leckte nachdenklich mit der Zunge über seine Lippen. »Ich werde sofort aufbrechen und ich werde Mary finden.«
»Wir warten hier auf dich«, erklärte Jeb. Mischa und Jenna nickten.
»Nein, tut ihr nicht«, widersprach León. »Ich weiß nicht, wie lange wir brauchen. Vielleicht ist Mary verletzt und wir kommen nur langsam voran. Ich schlage vor, ihr geht weiter und wir treffen uns bei den Toren.«
León erkannte an ihren Blicken, dass allen bewusst war, welches Risiko er einging. Nicht nur, dass er sich mit einer verletzten Mary kaum gegen irgendwelche Feinde wehren konnte, es bestand auch die Gefahr, dass Kathy die Portale vor ihnen erreichte und durch eines der Tore ging.
»Ich geh dann mal«, sagte er und reichte die Rucksäcke Jeb und Mischa. »Die behindern mich bloß, nehmt ihr sie.«
Jenna umarmte ihn stumm. Mischa war der Nächste, der sich mit einem festen Händedruck verabschiedete. Schließlich legte ihm Jeb eine Hand auf die Schulter, so wie er es schon einmal getan hatte.
»Sei vorsichtig. Selbst wenn von unseren Verfolgern gerade nichts zu sehen ist, glaube ich nicht, dass sie so schnell aufgeben. León – pass auf dich auf.«
León nickte und wandte sich um.
Kurz darauf hatte ihn das Schneegestöber verschluckt.
Mary hatte trotz ihres Dämmerzustandes mitbekommen, wie sich die Fremden besprochen hatten. Zwei von ihnen sollten mit ihr zum Lager zurückkehren, während die anderen sich an die Verfolgung der anderen aus ihrer Gruppe machen wollten. Eine Zeit lang wurde darüber gestritten, wer was zu tun hatte, dann gab einer der Männer einen scharfen Befehl. Sie hörte leise Flüche, das Trampeln von Stiefeln, schließlich wurde es still um sie herum.
Mary bekam fast keine Luft in dem Sack. Ihr Atem ging keuchend und sie musste immer wieder husten. Bei jedem Husten wurde sie von einem ihrer Träger geschlagen. Nur einmal hatte sie mit schwacher Stimme geröchelt, dass sie am Ersticken war. Das hatte ihr den ersten Hieb eingebracht. Seitdem hielt sie lieber den Mund.
Die Männer kamen offenbar nur langsam voran. Am Anfang war das Schaukeln im Sack noch erträglich gewesen, aber als Mary am kalten Luftzug bemerkte, dass die Fremden das Gebäude verlassen hatten und nun durch den Schnee stapften, wurde es unerträglich. Immer wieder würgte es sie. Aber sie hatte Angst, in der Enge des Sackes an ihrem eigenen Erbrochenen zu ersticken. Also schluckte sie jedes Mal, wenn es in ihr hochkam. Ihre Tränen waren inzwischen versiegt. Es gab keine Hoffnung mehr. Kein Entkommen. Gegen diese Männer hatte sie keine Chance.
Es ist vorbei.
Du hast es bis hierher geschafft, aber jetzt ist dein Weg zu Ende. Es wird keine Hilfe kommen.
Falls es überhaupt noch möglich war, so wurde die Gangart ihrer Träger immer holpriger. Wahrscheinlich versuchten die beiden, ihre Spuren zu verwischen, damit ihnen niemand folgen konnte. Selbst wenn León und die anderen aufgebrochen waren, um ihr zu helfen, würden sie sie niemals finden.
Was werden sie mit mir machen? Sie haben mich noch nicht getötet, also haben sie etwas mit mir vor, aber was?
Plötzlich kam ihr ein entsetzlicher Gedanke. Das waren alles Männer und sie eine Frau.
Oh nein, das nicht. Bitte das nicht.
Sie hatte gedacht, nicht mehr weinen zu können, aber augenblicklich schossen ihr Tränen in die Augen. Ein Schluchzer verließ ihre Kehle und sie musste erneut husten. Sie bekam einen Schlag auf den Kopf. Umgehend zwang Mary sich zur Ruhe. Ihr Geist wurde klar. Es gab nur eine einzige Lösung, aber es würde nicht einfach werden. Sie konnte nicht gegen die Männer kämpfen, nicht fliehen.
Aber ich kann sterben, bevor sie mir
Weitere Kostenlose Bücher