Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
sahen ähnlich aus wie derjenige, den sie gerade erledigt hatte. Ein selbstgefälliges Lächeln huschte über ihr Gesicht.
Da erst bemerkte Kathy, dass die beiden Männer etwas in einem Sack davontrugen, das die Größe und Form eines menschlichen Körpers hatte. Was schleppten sie da herum?
Eine Leiche?
Jemand aus ihrer Gruppe? Aber wozu sollten sie einen Toten mitschleppen? Es sei denn… diese Menschen waren Kannibalen. Sie riss vor Schreck die Augen auf. Nein, das konnte nicht sein. Dann sah sie, dass sich etwas in dem Sack bewegte. Offensichtlich lebte der Gefangene noch. Wer war da drin?
Die beiden Männer überquerten die Straße und kamen direkt auf sie zu. Kathy hielt den Atem an. Sie musste ihre Deckung aufgeben, um sie weiter beobachten zu können. Tatsächlich, die Männer betraten nacheinander das Gebäude.
Wo wollen die hin?
Sie lauschte angestrengt, aber es war kaum etwas zu hören. Leises Stimmgemurmel drang nach oben. Die Männer entfernten sich.
Eigentlich sollte sie die Gelegenheit nutzen und hier schnellstmöglich verschwinden, aber ihre Neugierde war geweckt. Und ihre Jagdlust. Kathy bleckte die Zähne. Der Typ gerade eben hatte es nicht geschafft und so würde es auch allen anderen ergehen, die sich mit ihr anlegten.
Die alte Kathy war tot, wiedergeboren als Kriegerin. Sie leckte über ihre aufgesprungenen Lippen, schmeckte Blut und grinste.
Dann schlich sie geräuschlos die Treppe hinunter.
Sie war auf der Jagd.
43.
León folgte den zunehmend verschneiten Fußspuren bis zu einem kleinen Gebäude aus Ziegelsteinen, dessen Mauern mit Graffiti verschmiert waren. Es gab keine Fenster, dafür eine unverschlossene Tür, die er gerade öffnen wollte, als die anderen aus dem Schatten des Hauses traten. León erkannte, dass die Spuren die Feinde verwirren sollten. Offensichtlich waren alle bis zur Tür gegangen und dann in einem weiten Satz zur Seite gesprungen. Die neu entstandenen Abdrücke hatten sie verwischt und sich hier in der engen Nebengasse auf die Lauer gelegt.
Jeb, deine Ideen sind unschlagbar.
»Da seid ihr ja«, stellte León zufrieden fest.
Gemeinsam liefen sie noch ein paar Schritte weiter und verbargen sich im nächsten Hauseingang.
»Hast du sie abschütteln können oder sind sie noch hinter dir her?«, fragte Jeb.
»Ich hab die Tür abgeschlossen. Sie werden da nicht durchkommen und sich einen anderen Ausgang suchen müssen. Das dürfte eine Weile dauern. Bis dahin hat der Schnee unsere Spuren verschluckt.«
»Gut gemacht«, grinste Jeb.
»Wo ist Mary?«, fragte Mischa plötzlich.
Ein ungutes Gefühl durchflutete Leóns Körper. Er begriff nicht. »Wieso? Ist sie nicht bei euch?«
»Nein, wir dachten, sie ist bei dir.«
Aus dem unguten Gefühl wurde ein stechendes Ziehen im Magen. »Wie… aber… Sie ist vor mir hergelaufen, wenn sie stehen geblieben oder hingefallen wäre, hätte ich sie sehen müssen.« Fieberhaft versuchte León nachzuvollziehen, was passiert war.
»Hast du ihre Spuren im Schnee gesehen?«, fragte Jeb.
»Der Wind hat fast alles zugeweht, ich habe die Spuren nicht auch noch gezählt.«
»Vielleicht hat sie sich verirrt?«, meinte Jenna.
León schüttelte den Kopf. »Kann ich mir nicht vorstellen. Wenn da Spuren gewesen wären, die im Schnee eine andere Richtung eingeschlagen hätten, hätte ich das bemerkt. Nein…« León fluchte leise. »Mierda … sie muss noch im Gebäude sein.«
»Unmöglich«, erwiderte Mischa. »Sie hat hinter uns den Raum verlassen. Dann war da nur ein Gang. Keine Abzweigung, keine Türen.«
»Das Loch«, stieß Jenna plötzlich aus. »Erinnert ihr euch an das Loch im Boden? Kurz vorm Ausgang. Ich wäre fast reingefallen.«
León sah sie erschrocken an. Auch die Gesichter der anderen waren voller Entsetzen. León wusste, was sie dachten: erst Tian, dann Kathy und nun Mary. Innerhalb von wenigen Stunden war ihre Gruppe fast um die Hälfte geschrumpft.
Aber Mary war vielleicht noch nicht tot. Dieser Gedanke war seltsam tröstlich für León. Niemand wusste, wie tief das Loch war, es waren sicher nur ein paar Meter. Wahrscheinlich lag sie dort unten in der Dunkelheit und wartete auf Hilfe.
»Und wenn sie dort drinnen verletzt liegt?«, sprach León seinen Gedanken laut aus. Die Flocken fielen lautlos vom Himmel und schluckten alle anderen Geräusche. Man konnte fast meinen, taub zu sein.
In das Schweigen hinein sagte Jeb: »Okay, ich gehe zurück und suche sie.« León sah aus den Augenwinkeln, wie Jenna
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