Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
unerträglich.
»Ich kann nicht mehr lange halten«, stöhnte Tian.
»Du musst«, erwiderte León. »Wehe, du lässt los. Hier geht es nicht nur um Mischas Leben. Wenn du loslässt, sind wir alle tot.«
Wieder ein Ruck am Seil, dann begann es, hin und her zu schwingen.
»Kathy! Mary!«, brüllte Jeb. »Kommt her und packt mit an!«
Die beiden Mädchen rannten zu ihnen und griffen zu.
»Jenna, sag Mischa, dass er mit dem Schaukeln aufhören soll.«
Jenna ließ sich auf die Knie nieder und schrie in die Schlucht hinunter. Mischa antwortete, aber sie konnte ihn nicht richtig verstehen.
»Er sagt irgendetwas von einem Vogel.«
»Was?«, stöhnte Jeb.
Dann hing das Seil plötzlich wieder ruhig, aber nur für einen Augenblick, bevor es erneut heftig ausschlug.
León biss sich auf die Lippen. Seine Hände fühlten sich an, als würden sie langsam in einem lodernden Feuer geröstet. Er stöhnte, wappnete sich gegen den Schmerz und hätte beinahe laut aufgeschrien, als er das Seil noch einmal fester umfasste.
Er sah zum Himmel auf. Ein leichter Wind war aufgekommen, die Wolken waren nahezu gelb geworden und hingen direkt über ihnen.
Nein, nur das nicht, dachte er verzweifelt. Wir brauchen noch Zeit.
Und dann hörte er ihre Stimmen. Leises Fluchen und Drohungen.
Und sie waren nahe.
Mischa kämpfte verbissen darum, nicht abzustürzen. Zuerst hatte ihn ein großer schwarzer Vogel mit krummem Schnabel attackiert. Er war aus dem Nichts aufgetaucht und hatte ihn beinahe gestreift, bis zu diesem Augenblick war alles in Ordnung gewesen, er hatte alles unter Kontrolle gehabt. Jeder seiner Handgriffe saß perfekt, auch wenn sein linker Arm merkwürdig steif blieb.
Doch der zweite Angriff der Krähe war gefährlicher. Als er eine Felsenhöhle passierte, stürzte sie sich auf ihn, wahrscheinlich, um ihr Nest zu verteidigen. Erschrocken versuchte Mischa, den schlagenden Flügeln und dem harten Schnabel auszuweichen. Doch der Vogel ließ nicht locker, verhakte sich mit seinen scharfen Krallen in seinem Haar und hackte auf das Gesicht und die Hände ein. Mischa versuchte panisch, sich mit einer Hand am Fels festzuhalten, während er mit der anderen wild um seinen Kopf herumfuchtelte. In einem unvorsichtigen Moment verlor er den Halt und stürzte kopfüber nach unten. Zu seinem Glück verhakte sich sein Fuß derartig in der Schlaufe, die er um sein Bein geschlungen hatte, dass der Fall schnell abgefangen wurde. Doch nun schwang er kopfüber am Seil und bedenklich nahe an der zerklüfteten Felswand. Er drehte und wand sich wie ein Fisch am Haken, um Abstand von der Wand zu bekommen und sich am Seil wieder nach oben hangeln zu können. Aber er schaffte es einfach nicht, so viel Schwung mit dem Körper zu erzeugen, um das Seil über seinem Fuß zu greifen. Das Seil schwang nur noch bedrohlicher hin und her, dabei streifte sein Kopf immer wieder haarscharf die Felswand. Wenigstens hatte die Krähe von ihm abgelassen, aber es dauerte eine Weile, bis Mischa begriff, dass er sich erst einmal nicht mehr bewegen durfte, damit der Schwung von allein stoppte. Einige unendlich lange Minuten später hing er endlich wieder ruhig am Seil.
Das Licht fiel in die Schlucht hinab und Mischa sah in den tiefen Abgrund. Nur schemenhaft konnte er den dunklen Grund erkennen. Er schätzte, dass er fünfzehn Meter über dem Boden baumelte. Kopfüber.
Ich werde sterben. Wenn ich da runterfalle, bin ich tot.
Es gab einen kurzen Ruck, dann erzitterte das Seil und er rutschte noch ein Stück tiefer. Sein Körpergewicht oder vielleicht auch der Schwung hatten dafür gesorgt, dass sein eingeklemmter Wanderschuh sich ein Stück aus der lebensrettenden Schlaufe gelöst hatte.
Mischa schrie erschrocken auf. Ihm blieb nicht mehr viel Zeit. Schon jetzt klemmte nur noch seine Fußspitze in der Schlaufe, ein weiterer Ruck am Seil und er würde ganz herausrutschen. Mischa riss panisch die Augen auf, dann begann er zu rufen.
»Ich höre etwas«, sagte Jenna. »Seid leise. Mischa ruft etwas.«
Die Anstrengung war der Gruppe ins Gesicht geschrieben. Aber wenigstens bewegte sich das Seil jetzt nicht mehr. Ihre Hände brannten vor Schmerz. Schweiß stand ihnen auf der Stirn. Die Zähne zusammengepresst stemmten sie sich gemeinsam gegen den staubigen Fels.
»Ich glaube, er will schneller abgelassen werden.«
»Kannst du ihn sehen?«
»Nein, er hängt unter dem Vorsprung.«
»Bist du dir sicher, dass wir ihn schneller ablassen sollen?«
»Ich verstehe ihn
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