Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
hielt schützend eine Hand darüber.
»Da kommt jemand!«, rief er plötzlich.
Mischa sprang auf. Er und die anderen traten zu Tian, der mit der Hand in die Ferne deutete.
»Was ist das?«, fragte Mischa. Wegen der flimmernden Hitze war am Horizont fast nichts auszumachen bis auf einen großen undeutlichen Schatten, der langsam auf sie zukam.
»Es sieht aus wie ein Riese, viel zu groß für einen Menschen. Aber dieses Wesen scheint verletzt zu sein, so wie es torkelt.«
Unvermittelt schrie Mary auf. »Das sind Jeb und Jenna! Er trägt sie auf dem Rücken.«
Sie schwiegen überrascht. Minuten vergingen, in denen sie angestrengt in die Ferne schauten. Tatsächlich, jetzt konnten sie Einzelheiten ausmachen. Die karierten Hemden, Jennas blonde und Jebs schwarze Haare. Nun winkte Jenna ihnen zu. Sie rief etwas, aber der Wind trug ihre Worte davon.
Tian begann, aufgeregt herumzuhüpfen. »Wisst ihr, was das bedeutet?«, rief er immer wieder. »Wisst ihr, was das bedeutet? Wir haben ein zweites Seil.« Er jauchzte laut. »Ein zweites Seil. Wir kommen über diese verdammte Schlucht.«
Sie waren gerettet. Mischa blickte erleichtert von einem zum anderen. León drückte seine Schultern durch, Mary und Tian strahlten um die Wette. Nur Kathy, bemerkte Mischa, stand abseits und lächelte nicht, sondern spuckte mit verbissenem Gesichtsausdruck auf den Boden.
Jeb und Jenna hatten direkt in die tiefschwarzen Gewitterwolken hineinlaufen müssen, um zu den anderen zu gelangen. Doch da sie nichts mehr von ihren Verfolgern gehört hatten, war der fehlende Sonnenschein erst mal ein geringeres Problem. Ihr Wasser war leer – und der Aufstieg war eine Qual gewesen.
Mit einem lauten Stöhnen ließ sich Jeb auf die Knie sinken und Jenna kletterte von seinem Rücken. »Verdammt, ist das heiß«, sagte er.
Fasziniert blickte er zu den blau pulsierenden Toren auf der anderen Seite. »Wir haben es geschafft!«
»Ja, wir haben es geschafft.« Jenna strahlte ihn erleichtert an.
Tian trat zu Jeb, zog ihn auf die Füße und umarmte ihn, dann drückte er ein wenig verlegen Jenna an sich. Mischa umarmte sie wie alte Freunde und Mary küsste die beiden auf die Wange. Sogar León reichte Jeb die Hand und klopfte ihm auf die Schulter. Jenna nickte er wortlos zu. Nur Kathy saß immer noch reglos am Abgrund und starrte in die Tiefe.
Doch die Wiedersehensfreude wich schnell ernüchterter Enttäuschung, als die anderen den beiden Nachzüglern von der nahezu unüberwindbaren Schlucht erzählten. Jenna entfuhr ein entsetzter Schrei, dann starrte sie mit aufgerissenen und ungläubigen Augen in die Schlucht. Jeb war sich hilflos durch die Haare gefahren und hatte dann seine Hände vors Gesicht gelegt und sich minutenlang nicht gerührt. Der Rest der Gruppe wartete stumm ab.
Schließlich holte Jeb tief Luft, rieb sich mit den Händen über das müde Gesicht und warf einen Blick in die Landschaft, um sich zu orientieren. Er nickte in Richtung Kathy.
»Was ist mit ihr?«, fragte er.
León grinste ihn an. »Du kennst doch Kathy.«
»Ignoriert sie einfach, das mache ich auch schon die meiste Zeit«, meinte Mary. »Schön, dass ihr wieder bei uns seid.«
»Genug Geplänkel. Wir müssen uns beeilen.« León deutete zu den dunklen Gewitterwolken. »Jenna? Hast du das Seil noch, dass in deinem Rucksack war?«
Jenna kramte es wortlos aus dem Rucksack hervor und hielt es abwartend in der Hand.
»Wir brauchen es, damit Mischa in die Schlucht hinabsteigen und auf der anderen Seite wieder hochklettern kann. Er wird das Seil befestigen, sodass wir uns daran hinüberhangeln können.«
»Ach, deswegen seid ihr also noch hier.« Jebs harter Blick richtete sich auf León. »Ich dachte, ihr wartet hier, nachdem ihr uns gesehen hattet. Bereit, um die Tore zu losen. Aber in Wirklichkeit hängt ihr hier einfach nur fest.« Jeb schnaubte verächtlich.
León und Mischa schwiegen betreten. Nachdem niemand etwas darauf erwiderte, sprach Jeb weiter. »Okay, ihr braucht unser Seil und was bekommen wir dafür?«
Leóns Gesichtsausdruck verhärtete sich. »Ihr braucht unser Seil genauso. Ohne den anderen kommt keiner auf die andere Seite.«
Jeb kratzte sich am Kopf. »So wie ich das sehe, sind wir im Vorteil. Glaub mir, wir haben es bis hierher geschafft, obwohl ihr uns längst aufgegeben hattet. Dann kommen wir auch über diese Schlucht. Wenn es sein muss, binde ich mir Jenna auf den Rücken und klettere selbst hinüber.«
»Das schaffst du nicht«, zischte
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