Das Labyrinth erwacht: Thriller (German Edition)
Abschnitt, den er absucht. Schaut auf den Boden, in den Schnee, vielleicht entdecken wir ihre Fußabdrücke.« Er nannte jeweils einen Namen und deutete in eine entsprechende Richtung.
»Das ist doch Zeitverschwendung! Ich glaube nicht, dass wir sie bei diesem Schneetreiben finden«, sagte Kathy so gelassen, als habe sie Marys Verschwinden längst akzeptiert.
Jeb beachtete sie nicht.
»Wir treffen uns an dieser Stelle wieder. Merkt euch den Punkt. Lasst die Rucksäcke hier. Wenn wir Mary nicht finden, müssen wir überlegen, wie wir weiter vorgehen.«
»Compadre, ich lasse ganz sicher nicht noch mal meine Ausrüstung zurück. Weißt du nicht mehr, was das letzte Mal passiert ist?«, erwiderte León mit hochgezogenen Brauen und schulterte seinen Rucksack.
»Okay, du hast recht. Wir treffen uns vor dieser Unterführung dort drüben wieder.« Er wies auf die andere Straßenseite und wunderte sich gleichzeitig, dass er die richtigen Worte für die neue Umgebung sofort parat hatte.
»Was für eine Gefahr wird wohl hier auf uns warten?« Jenna sah sich unsicher um. Am liebsten hätte ihr Jeb den Arm um die Schultern gelegt, ihr versprochen, dass diese seltsame Geschichte gut ausgehen würde. Doch die Worte kamen nicht über seine Lippen.
León antwortete stattdessen. »Also, bis auf die Scheißkälte wirkt alles ruhig. Hier scheint niemand zu leben.«
Sie blickten sich um. Das Schneetreiben hatte nachgelassen und nun konnte man hohe schemenhafte Gebäude in all dem Weiß ausmachen. Konstruktionen aus Stahl und Beton. Jeb schob mit seinem Stiefel Schnee zur Seite. Darunter kam grauer Asphalt zum Vorschein.
Eine Straße, dachte er. Das ist eine Straße und wir befinden uns in einer Stadt. Eigentlich müssten hier Menschen leben, aber alles ist wie ausgestorben. Warum?
Irgendetwas war hier geschehen. Ein Krieg? Jedenfalls waren die Menschen, die diese Stadt bevölkert hatten, schon lange nicht mehr hier. Man konnte nicht genug erkennen, um sich einen richtigen Eindruck von diesem Ort zu machen. Aber es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig, als den Stern zu suchen, weiterzuziehen, zu überleben.
Der Stern! Wie sollen wir den jemals wiederfinden? In dieser weißen Hölle ist der Stern noch unerreichbarer als zuvor.
Jeb schaute in die Gesichter der anderen. Alle wirkten bedrückt und niedergeschlagen, vielleicht auch nur erschöpft. Er erinnerte sich an Tian und seine Aufmunterungsversuche im Wald… all das schien eine Ewigkeit her zu sein. Es waren drei vollkommen unwirkliche Tage gewesen, die Tian das Leben gekostet hatten. Seinem Tod verdankten sie ihr Leben.
»Wo ist der Stern?«, fragte Kathy in diesem Moment. »Ich kann ihn nicht sehen.« Sie drehte sich wild im Kreis. »Wie soll man ihn bei diesem Wetter überhaupt am Himmel ausmachen?«
»Wenn es aufhört zu schneien, sehen wir ihn sicher wieder«, knurrte Jeb. Kathy hatte echt ein Talent, jede Hoffnung zu zerstören.
Das fehlt uns noch, dass Kathy uns alle verrückt macht.
»Sag mal, was hast du da eigentlich im Haar? Ist das etwa Tians Stirnband?« Jeb hatte Mischa noch nie so fassungslos gehört.
Wovon redet er?
»Na und, das ist mein Hemd gewesen, also gehört es mir. Spiel dich mal nicht so auf. Tian bringt es doch jetzt eh nichts mehr.«
Es war ja klar, dass Kathy schnippisch reagierte. Jeb hatte nun wirklich genug. »Los geht’s«, kommandierte er knapp und stapfte los, bevor noch jemand etwas sagen konnte.
Nachdem sie sich aufgeteilt hatten, verlor Kathy die anderen bald aus den Augen. Das war ihr nur recht. Was für einen Aufstand sie um diesen Fetzen Stoff gemacht hatten. Sie hatte nicht die geringste Lust, nach dieser kleinen verwöhnten Schlampe zu suchen. Außerdem war es gut, wenn sie verschwunden blieb, dann hielt sie nämlich ihr Plappermaul. Und wenn sie nie wieder auftauchte… war ihnen allen geholfen und sie selbst hatte außerdem ein Problem weniger.
Eigentlich sollten sie mir dankbar sein. Jeder hat ohne Kampf ein freies Tor ergattert. Dieser Schwächling Tian wäre früher oder später sowieso draufgegangen.
Aber sie wusste, dass sie keine Dankbarkeit erwarten durfte. Nicht einmal Verständnis. Vielleicht am ehesten noch von León. Er war genauso hart wie sie, aber in letzter Zeit hatte er zu viele Anfälle von Mitgefühl gezeigt. Besonders Mary gegenüber.
Bitch!
Kathy blieb stehen und zog die Trinkflasche aus dem Rucksack. Der verdammte Schnee, der einem auf die Lippen fiel, schmeckte bitter wie Asche. Sie spuckte auf
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