Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
freiwillig, ohne erobert worden zu sein. Für die freiwillige Unterwerfung haben sie gewisse Sonderrechte.«
Er legte die Hände auf den Tisch, musterte seine Finger, den Fisch, die Tischplatte, dann sah er mich an. »Du kriegst von mir alles, was du brauchst – Namen, Beschreibungen, Hinweise. In Ragusa, uh, Dubrovnik, wie sie es nennen, wirst du vielleicht mit meinem ... nennen wir ihn Gegenspieler zu tun haben. Ein Ungar namens Katona. Was willst du dort sein?«
»Ich dachte, wandernder Musikant wäre nicht schlecht. Fiedelspieler können überall auftauchen und spielen, in Hütten und Palästen.«
Er lächelte kurz. »Kein ganz ungewöhnlicher Gedanke. Könnte gehen.«
»Willst du zulassen, daß der Fisch sich erkältet?«
»Ich will die wichtigen Dinge klären, ehe mir Gräten in der Kehle stecken. Wieviel?«
»Gräten?«
»Trottel. Wieviel Geld.«
»Was sind eure Spione gewöhnlich wert?«
»Die gewöhnlichen hundert Zechinen. Im Jahr.«
»Und die ungewöhnlichen?«
Er seufzte. »Hundertfünfzig. Und alles, was dringend zu bezahlen ist.«
»Ich will kein Geld.«
Er nickte. »Du willst Kassem, nicht wahr?«
»Ja.«
»Ich zahle dir zweihundert. Damit du über deiner Rache nicht vergißt, gewisse Erkundigungen für uns anzustellen.«
»Gut. Ich glaube aber, du hast noch dies und das vergessen. Oder jedenfalls nicht gesagt.«
»Was denn, zum Beispiel?«
»Es gab da ein paar Männer, von denen du angeblich nicht viel weißt.«
Bellini bleckte die Zähne. »Es gibt viele, von denen ich gar nichts weiß. Wen meinst du?«
»Erstens diesen Araber. Karim Abbas.«
»Hm.«
»Ein, uh, handgreiflicher Sondergesandter, wie? Kann es sein, daß er andere Geschäfte betreibt? Über die du mir jetzt, da ich sozusagen zu deinen Leuten gehöre, etwas erzählen solltest?«
»Du hast recht. Und zweitens?«
»Der französische Priester.«
»Fällt alles irgendwie zusammen.« Er setzte ein schräges Lächeln auf. »Kameraden, gewissermaßen.«
»Deine? Meine? Ihre?«
»Unser aller.«
»Das heißt?«
»Corgoloin ist undurchsichtig. Er arbeitet zweifellos für den Kaiser, möglicherweise für den Papst, vielleicht für den französischen König. Aber das weiß ich nicht genau.«
»Und Karim?«
Bellini nickte. »Ja, Karim. Hüte dich vor ihm. Auch da weiß ich nicht genau, wie die Dinge liegen. Er war bei der Gesandtschaft, die in Paris den inzwischen nicht mehr geheimen Vertrag zwischen Süleyman und François ausgehandelt hat. Seitdem hat er sich vor allem auf dem Balkan ... vergnügt.«
»Vergnügt? Was erheitert ihn? Wie vergnügt er sich?«
»Wir sind ziemlich sicher, daß er das Messer ist, das unsere Hände und Ohren da unten abschneidet.«
Ich pfiff leise. »Und den laßt ihr laufen?«
Bellini rieb sich die Nase. »Er war als Teil der Gesandtschaft hier«, knurrte er. »Wenn wir ihn ... sagen wir so: Der Dank der Serenissima und ein Haufen Gold sind dem sicher, dem es gelingt, dieses Raubtier außerhalb unserer Gebiete zu erlegen.«
»Habt ihr das schon versucht?«
»Sieben- oder achtmal. Die es versucht haben, sind langwierig und unangenehm gestorben. Hüte dich vor ihm.«
»Was soll er gegen mich haben?«
»Er hat uns zusammen gesehen, auf dem Ball.« Bellini hob die Brauen. »Sieh dich vor.«
»Wirst du lange wegbleiben?« Laurina betrachtete mich mit einer Mischung aus Neugier und Betrübtheit.
»Ich hoffe nicht. Es kann ein bißchen dauern, aber ich bin bestimmt wieder hier, bevor ihr erwachsen seid.«
»Wann ist man erwachsen?«
»Das ist bei jedem anders. Manche schaffen es nie, bei anderen geht es schneller.«
Laurina versteckte das Gesicht an meiner Brust. »Ich beeil mich«, sagte sie undeutlich. »Beeilst du dich dann auch?«
»Ich verspreche es.«
»Manche Väter sind lange weg«, sagte Giacomo. »Unterwegs erleben sie wilde Abenteuer, und dann bringen sie ihren Frauen Schmuck und den Kindern feines Spielzeug mit. Machst du das auch so?«
»Ich will es versuchen. Schmuck und Spielzeug, das sind gute Vorschläge. Aber die Abenteuer müssen nicht so wild sein.«
»Aber wild genug, daß du hinterher viel zu erzählen hast?«
»Ich will sehen, was sich machen läßt.«
Die Kinder blieben bei Gianna; Laura und ich verbrachten die beiden letzten Nächte in der kleinen Wohnung über der Druckerei.
»Ich komme nicht mit«, sagte sie, als ich mich im Morgengrauen anzog. »Ich hasse solche Abschiede.«
»Ich nehme deinen Anblick mit«, sagte ich, »deinen Geschmack, deinen
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