Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Speise? Die Planken der Santa Barbara beschreiben?«
»Wie kommt es, daß ein spanisches Schiff gerade dann in Venedig ist, als du aufbrechen willst? Und wie bist du in Dubrovnik an Land gegangen?«
»Ich habe das Schiff verlassen.«
»Ah bah, das meine ich nicht.« Er beugte sich vor und starrte mich beinahe grimmig an. »Spanien, also das Reich, und Venedig sind eigentlich Feinde; dann habt ihr dieses heilige Bündnis, und ein Spanier fährt zufällig die ganze Adria hoch nach Venedig und dann wieder hinunter nach Dubrovnik. Ha. Und wenn einer in Dubrovnik nicht auffallen will, sondern unauffällig lauschen, geht er nicht unter aller Augen von Bord eines notdürftig getarnten Kriegsschiffs. Also, wie war das wirklich?«
»Du hast recht.« Ich lachte leise. »Ich wollte es weglassen, weil ich dachte, es ist nicht so wichtig.« Eine nette Lüge. Tatsächlich hatte ich es weggelassen, weil ich meinte, bestimmte Dinge nicht dem Papier und schon gar nicht Goran anvertrauen zu sollen. Andererseits ...
»Es ist wichtiger als die Tränen des Dogen und der Beifall der Fische. Deine Nahrung und Entleerungen, deinen Kummer und deine Beilager kann man sich denken; das sind Vorgänge, die jeder kennt. Aber: Was führt einen spanischen Kriegskapitän in die Lagunenstadt? Und wie kommt ein Spion ungesehen von Bord?«
»Das weißt du wohl. Du bist doch beinahe der erste Mensch, den ich diesseits des Meers getroffen habe.«
Goran gluckste. »Abends, ziemlich spät, und das einzige, was du auf Kroatisch sagen konntest, war: ›Guten Abend. Welche Stadt ist das, Herr Freund?‹ Zu deinem Glück kann ich Italienisch. Aber daß ich dort war und dies und das weiß, ist für deinen Bericht unerheblich. Wenn jemand, der nicht dabei war, ihn lesen soll.« Dann zwinkerte er. »Vielleicht wäre es aber erbaulich zu lesen, wie wir uns getroffen haben.«
»Erbaulich für dich?«
»Wenn du bei der Wahrheit bleibst und mich nicht in Tinte und Hohn ertränkst.«
Nun denn. Don Pelayo und einer seiner Offiziere berieten mit mir. »Wir könnten Euch«, sagte der Offizier, »in Matrosenkleider stecken und mit den anderen Seeleuten im Hafen von Bord gehen lassen. Natürlich ohne Gepäck – Seeleute, die sich ein paar Stunden die eigenen Beine vertreten und die der Hafenmädchen untersuchen wollen, schleppen nicht viel herum.«
»Eine der kleinen Buchten nördlich von Ragusa«, sagte Don Pelayo. »Ihr müßtet dann aber noch ein wenig wandern.«
»Ich nehme an, es wäre die sinnvollste Möglichkeit, nicht wahr?«
Die beiden Spanier nickten. Der Offizier kicherte leise. »Es sei denn«, sagte er, »Ihr wollt an Bord bleiben, bis es gegen die Burg geht, und dann von Süden nach Ragusa wandern.«
»Welche Burg?«
Don Pelayo preßte die Lippen zu einem schmalen Strich. »Das war schon zuviel gesagt. Weiter südlich ist die Küste ungeeignet. Dort, wo man landen kann, sind zu viele Menschen. Und wo keine sind, ist das Ufer schroff.«
»Habt Ihr eine Karte der Gegend, wo Ihr mich an Land setzen wollt?«
»Sie ist nicht gut, aber ... Kommt mit.«
Ich folgte Don Pelayo vom Achterdeck in seine Kajüte. Der Offizier blieb zurück und begann, hinter dem Rudergänger auf und ab zu gehen.
Der Kapitän holte eine der üblichen Küstenkarten aus einer eisenbeschlagenen Kiste und breitete sie auf dem Kajütentisch aus.
»Ihr werdet länger wandern müssen«, sagte er.
Ich beugte mich über das entrollte Blatt, das er an den Seiten mit Bechern und polierten Steinen beschwert hatte. »Näher an Ragusa kommt man kaum heran, wie es aussieht.«
Er berührte mit der Fingerspitze nacheinander mehrere Inseln vor der eigentlichen Küste. »Überall Fischer und Soldaten«, knurrte er. »Wir werden hier bei Nacht und hoffentlich ungesehen ankern und Euch mit einem Beiboot an Land bringen. Wenn Ihr ein Adler oder eine Krähe wärt, hättet Ihr von dort aus noch vier leguas oder ein wenig mehr zurückzulegen. Aber ...« Er klopfte auf zwei Stellen. Dort waren Buchten eingezeichnet, die auch Flußmündungen sein konnten und tief ins Land schnitten. »Es wird die Strecke verdoppeln. Mindestens. Ihr werdet sicherlich zwei, wahrscheinlich drei Tage brauchen.«
Tatsächlich brauchte ich fast fünf Tage, um Ragusa zu erreichen. Abgesehen von den beiden großen Buchten gab es mehrere kleine zu umrunden, und die alte Handelsstraße führte über Berge und durch Täler. Außerdem ließ ich mir Zeit; nach den Jahren der Seßhaftigkeit mußte ich gewissermaßen meine
Weitere Kostenlose Bücher