Das Labyrinth von Ragusa: Roman (German Edition)
Geruch, die Erinnerung an die letzten Nächte und die Hoffnung auf viele weitere.«
»Und was mache ich mit meinen Nächten, wenn du fern von mir bist?«
Ich setzte mich auf die Bettkante, beugte mich vor und küßte sie. Es war ein langer, anstrengender Kuß; danach schnappten wir beide nach Luft. »Du schmeckst nach gestern und nach morgen und überhaupt nach allem«, sagte ich.
»Und wenn mir dein Geschmack fehlt?« Sie schloß die Augen; unter den Lidern sickerten ein paar Tränen heraus.
»Wenn deine Nächte allzu hohl sind«, sagte ich, »hoffe ich, daß du jemanden findest, der die Leere vertreibt. In dieser Stadt der Kurtisanen wäre es albern, Treue zu überschätzen. Ich weiß ja nicht, wann ich zurückkomme. Zurückkommen kann.«
Sie nickte kaum merklich. Leise sagte sie: »Laß dir das Fleisch wärmen, Liebster, wenn die Nächte kalt und öde werden. Nur das Fleisch, nicht die Seele.«
VIER
Schiffe und Fische
B ellini erwartete mich am Ende des Großen Kanals. Er redete mit einem Mann in dem kleinen Ruderboot, das neben der Uferkante schaukelte. Zwischen den Häusern hatte ich den leichten Wind nicht bemerkt, der dem öligen Wasser zu einer Art Dünung verhalf. Die Ruderer waren bärtig und von der Sonne verbrannt; die meisten trugen bunte Halstücher, einer hatte eine Augenklappe, und beim Anblick der Männer dachte ich, daß ich sie im Falle eines Streits lieber auf meiner Seite wüßte.
»Dein Schiff«, sagte Bellini. Er wies auf die Karavelle, die vielleicht eine halbe Meile entfernt ankerte.
»Danke für die Beschaffung. Spanier?«
»Sie kamen zufällig vorbei.«
»Muß ich das glauben?«
Unter dem linken Arm hatte Bellini zusammengerollte Papiere.
Nun reichte er sie mir mit einer kleinen Grimasse. »Lesen«, sagte er, »merken, verbrennen, hörst du?«
»Die letzten Lebenden?«
Er nickte. »Namen, Beschreibungen, falsche Namen. Auch von einigen, die nichts mit uns zu tun haben. Solche, vor denen man sich hüten muß.« Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Sieh dich vor. Ich hoffe auf deine Fähigkeit, in schwierigen Lagen zu überleben.«
»Ich auch. Weniger, weil ohne mich die Serenissima etwa verloren wäre.«
Bellini gluckste. »Ob du für dich oder für uns überlebst – komm heil zurück.« Leiser setzte er hinzu: »Mein Freund.«
»Ist dir noch etwas zu diesem Ungarn eingefallen?«
»Katona? Nein. Nur, was ich dir schon gesagt hatte: Er ist gut, sehr gut, aber das heißt auch, er ist sehr hart. Ich weiß nicht, zu welcher Seite er sich neigen wird, wenn er muß.«
Der Mann, der im Heck des Ruderboots stand, räusperte sich. »Señores!« sagte er.
»Ich komme.«
Einer der Ruderer stand auf, nahm mein Gepäck entgegen und verstaute es zwischen den Duchten und den Füßen.
Ich wandte mich noch einmal an Bellini. »Wirf gelegentlich ein Auge in die Druckerei«, sagte ich.
Er nickte. Dann grinste er. »Eine so schöne Frau sollte man eigentlich nicht lange allein lassen.«
»Welches schwarze Schwein zwingt mich denn dazu?«
Er hob die Schultern. »Das schwarze Schwein der Pflicht.«
»Man sollte es schlachten und braten.«
»Dieses Fest werden wir feiern, wenn du wieder hier bist.«
Die Karavelle hatte Matrosen, die sich wie Soldaten benahmen, und neue Kanonen. Da Khaireddin Barbarossas Flotte das Meer beherrschte, fuhren Schiffe jener Mächte, die die Heilige Liga bildeten, möglichst in großen Verbänden, um sich notfalls der Osmanen erwehren zu können. Die Santa Barbara segelte allein.
»Pulver, Blei, Arkebusen und dergleichen mehr«, sagte der Kapitän, als ich mich vorsichtig nach der Ladung des Handelsschiffs erkundigte.
»Ich nehme an, Ihr wollt damit einen schwunghaften Handel betreiben, nicht wahr?«
Don Pelayo de Gómara lächelte. Es war ein unverbindliches Lächeln, ebenso unverbindlich wie der Name; ich nahm an, daß es neben Pelayo noch mehrere Vornamen und hinter de Gómara noch die Namen etlicher edler Sippen gab. Im Gespräch blieben sie mir aber ebenso verborgen wie seine Zähne beim Lächeln.
»Es gibt für so etwas immer Bedarf«, sagte er. »Besonders im Krieg.«
»Erzählt mir von Ragusa – wenn ich Bellini recht verstanden habe, wart Ihr schon häufiger dort.«
Er hob eine Braue; etwas wie Respekt klang mit, als er sagte: »Gerissene Lumpen, die Herren von Ragusa.«
»Inwiefern?«
»Ihr wißt ja, daß sie sich vor vielen Jahren den Osmanen unterstellt haben?«
Ich nickte. »Zweifellos klug. Wen man nicht besiegen kann, dem
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