Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
Ansage!
Das Urteil wirkt wie in Beton gegossen. Die Technikgläubigkeit vernebelt die Sinne, den gesunden Menschenverstand. Früher wurde der eigene Verstand noch aktiviert, wurde kombiniert, analysiert, dabei immer auch das Gegenteil mitbedacht und nichts ausgeschlossen. Heute steht die forensische Information im Vordergrund. Daktyloskopie, chemische und biologische Analytik sind das Nonplusultra. Sie geben den Takt vor, sind die Melodie, nach der gespielt wird. Alles andere wird als Misston verpönt. Wenn die vergötterte Kriminaltechnik in die eine Richtung weist, wird der Blick in die andere zum Ungehorsam. Zur Blasphemie. Dennoch ist an ihrer falschen Analyse etwas Wahres dran. Derselbe Täter, schlussfolgern sie.
Ja , denkt er, sie haben recht. Und sind trotzdem auf dem Holzweg. Arme Idioten.
Es ist tatsächlich derselbe Täter und doch ein ganz anderer. Das zweite Opfer innerhalb weniger Tage. Die Zeitungen sind voll davon. Vor allem die Boulevardpresse reagiert hysterisch, sucht Zusammenhänge, wo keine zu sein scheinen. Eine neunundzwanzigjährige Buchhändlerin und ein fast sechzigjähriger Journalist, ein renommierter Gaststättenkritiker. Beide auf dieselbe bestialische Weise ermordet. Beide grausam gefoltert. Auf welche Art und Weise, halten die Ermittlungsorgane mit Verweis auf die schwierige Ermittlungsarbeit im Anfangsstadium erst einmal geheim. Der leitende Staatsanwalt spricht bei einer Pressekonferenz von einem schrecklichen Anblick, von gefesselten Opfern, unzähligen Messerstichen und einer gesteigerten Brutalität der oder des Täters. Das Wasabi erwähnt er nicht.
RITUALMORD prangt auf den ersten Seiten der Hauptstadtzeitungen. Das Fragezeichen ist verschwindend klein. Details über die Opfer werden bekannt. Dr. Stefan Ehrenfelds Ehe soll am Ende gewesen sein. Laut gut informierten Kreisen wollte seine Frau, eine wohlhabende Fabrikantentochter und Millionenerbin aus Potsdam, die Scheidung. Von angeblicher Homosexualität des Gaststättenkritikers ist die Rede. Ein Escort-Service versucht zu dementieren und verweist alles in den Bereich der Spekulation.
Schade, dass ihm das erspart bleibt , denkt er. Eine Demütigung mehr hätte nicht geschadet.
Auch die Buchhändlerin wird in ein zwielichtiges Licht gerückt. Einige Zeitungen berichten, sie habe einer Sekte angehört. Andere behaupten, sie habe eine schamanische Ausbildung gemacht. Die B . Z. verknüpft beides und schreibt, Laura T. sei Mitglied einer dubiosen schamanischen Sekte gewesen. Der Druck auf die Ermittler wächst.
Sie werden nervös , denkt er. Über kurz oder lang werden sie weitere Fehler machen.
Immer mehr Details werden bekannt, sowohl über die Opfer als auch über die Taten. Schließlich erobert das Wasabi doch noch die Schlagzeilen. Der Wasabi-Mörder, titelt der Berliner Kurier , und die B . Z. glaubt zu wissen: Die Wasabi-Morde führen ins asiatische Milieu . Die Berliner Morgenpost versucht sich prosaischer: Ritualmord – oder ist es die Liebe zum japanischen Meerrettich?
Am Ende aller Artikel aber steht immer dieselbe Frage: Wer macht so etwas?
ICH
So habe ich Kleeberg noch nie erlebt. Er flippt aus. Wusste gar nicht, dass der schreien kann. Dann auch noch so. Seine Mitarbeiter stehen wie eingeschüchterte Pennäler um ihn herum, die Schultern hochgezogen, die Blicke gesenkt. Nur Mechthild Gotthoff scheint Kleebergs Wutausbruch nichts anhaben zu können. Sie schaut zu mir herüber und verdreht die Augen, während ihr Gesicht ansonsten völlig neutral bleibt.
Kleeberg hält einen Packen Zeitungen in der Hand. Eine nach der anderen hebt er hoch. »Der Wasabi-Mörder!«, schreit er und schleudert die Zeitung zu Boden. »Woher wissen die das? Asiatisches Milieu!« Die nächste Zeitung fliegt zu Boden. »Kann mir das jemand verraten, hä? Wie kommt das in diese Schmierenblätter? Guckt euch diese Scheiße an!«
Die Mitarbeiter blicken nicht auf. Auch Gotthoff verdreht nicht mehr die Augen.
»Das sind Interna! Woher wissen das diese Arschlöcher? Kann mir das einer von euch sagen? Also, von mir haben die das nicht.«
Er wirft die restlichen Zeitungen zu Boden und fährt sich mit der Hand durchs Gesicht. Dann blickt er jeden Kollegen einzeln an. Kaum einer wagt es, seinem Blick standzuhalten, bis auf seine Assistentin, sodass Kleeberg rasch von ihr ablässt.
»Ich warne euch! Wenn ich die undichte Stelle aufspüre … den zerreiß ich in der Luft! Der wird fristlos entlassen!«
»Und kommt durch die Hintertür
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