Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
sie wieder , dachte ich und ertappte mich erneut bei Mordfantasien.
ER
Sie sagte, sie brauche Zeit. Nach all den Jahren ohne ihn müsse sie sich erst an ihn gewöhnen. Er hatte Verständnis. Alles war ihm recht. Er war bereit, in alles einzuwilligen. Er war so froh, dass sie sich wiedergefunden hatten, so glücklich, dass er alles akzeptieren wollte, was sie vorschlug. Alles.
Er hatte die Jahre über mit dem Gedanken gespielt, nach ihr zu suchen. Aber wo hätte er anfangen sollen? Wo mit den Nachforschungen beginnen? Es war ohnehin erst möglich, nachdem die Mauer gefallen war. Aber er hatte keinen Anhaltspunkt. Er wusste nicht einmal, wie sie mit Nachnamen heißt. Außerdem hatte er Angst, sie könnte ihn ablehnen, nach all den Jahren. Dass sie ihm Vorwürfe macht, obgleich er doch gar nicht in die Entscheidung der Mutter eingeweiht gewesen war. Sie war doch einfach abgehauen, ohne mit ihm darüber zu reden. Mit seinem Kind im Bauch. Er fürchtete sich jahrelang davor, dass sie bei einem Wiedersehen sagen könnte: »Was willst du denn hier?« Diese Bedenken ließen ihn in Untätigkeit erstarren. Er wollte nicht riskieren, sie für immer zu verlieren. Die Hoffnung, dass sie irgendwann den ersten Schritt macht, war größer.
Als sie dann vor der Tür stand, konnte er sein Glück gar nicht fassen. Er weinte, zum ersten Mal in seinem Leben. Zumindest konnte er sich an keine Tränen zuvor erinnern. Sie gab sich abgeklärter und sagte, ab jetzt würden sie alles nachholen, was sie verpasst hatten.
»Aber schön langsam, gell?«
Er nahm sie in den Arm, als wollte er sie nie mehr loslassen.
Von dem Tag an, als sie sich in sein Leben mischte, hatte keine andere Frau mehr Platz darin. Nur drei Monate später trennte er sich von seiner langjährigen Freundin, die er vor nicht allzu langer Zeit sogar noch hatte heiraten wollen.
Irgendwann mietete er dann die Wohnung neben seiner in der Hoffnung, dass sie bald dort einziehen würde. Sie tat es. Ein Jahr später. Und fand es ideal, einander so nah zu sein und sich doch nicht auf die Pelle zu rücken, wie sie sagte.
Er wäre ihr gerne mehr auf die Pelle gerückt, aber er hielt sich zurück. Versuchte heimlich, mehr über sie zu erfahren. Wenn sie nicht da war, schlich er in ihrer Wohnung herum. Er hatte vorsorglich einen Schlüssel nachmachen lassen. Mit schlechtem Gewissen, aber wie unter Zwang durchsuchte er ihre Schubladen, las Notizen, studierte ihren Terminkalender. Schon bald war er bestens informiert über ihr Leben. Er wusste, was sie bedrückte, was sie erfreute, und lernte ihre Freunde kennen, auf die er ein wenig eifersüchtig war. Wenn sie traurig war, wusste er, wie er sie trösten und aufheitern konnte. War sie froh, teilte er die Freude mit ihr. Sein Wissen erlaubte es ihm, immer richtig zu reagieren. Meist mit Verständnis, mit Ratschlägen, Zuspruch, manchmal auch mit mahnendem Druck. Das alles hatte zur Folge, dass sie ihn zunehmend näher an sich heranließ.
Als sie das Schauspielstudium beendete, schien alles, als wäre es nie anders gewesen. Diese gemeinsamen vier Jahre schienen die fehlenden zwanzig Jahre ersetzt zu haben. Es war die ideale Vater-Tochter-Beziehung. Davon war er überzeugt.
In dieser Zeit unternahmen sie viel miteinander. An ihrem 24. Geburtstag sagte Doreen, ihre beste Freundin: »Wenn man nicht wüsste, dass ihr Vater und Tochter seid, könnte man glatt denken, ihr wärt ein Paar.« Sie tippte sich an die Stirn, und er wurde ein wenig rot. Dann lachte Doreen und sagte: »Aber das geht ja gar nicht, Kitty hat ja ’nen anderen!« Jetzt wurde sie ein wenig rot, während er sich wunderte, in ihren Aufzeichnungen nichts darüber gefunden zu haben.
»Blöde Kuh!«, sagte sie und tätschelte Doreen mit der flachen Hand den Hinterkopf. Woraufhin Doreen noch mehr lachte. Er gab sich wie immer abgeklärt und verständnisvoll.
»Und wann bekomme ich den Prinzen zu Gesicht?«, fragte er und rang sich ein Lächeln ab.
»Bald.«
Er stellte ihre Wohnung auf den Kopf, fand aber keinen Hinweis. Nichts.
Nach der Sommerpause begann ihr erstes Engagement.
»Ein Glücksfall«, sagte sie. »An einem der größten Theater der Stadt, das ist wunderbar!«
Er freute sich mit ihr.
Von da an hatte sie nur noch wenig Zeit. Er sah sie kaum noch. Sie war fast immer bei den Proben, im Theater, obwohl sie anfangs nur kleine Rollen spielte. In den modernen Stücken wurde sie immer für die braven Rollen, die biederen besetzt. Nie durfte sie die Wilden und
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