Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
übergeben. Sie stürzt schluchzend von der Bühne in die Garderobe und kotzt.
»Schluss für heute!«, hört sie den Regisseur durch den Lautsprecher. »Wir machen morgen weiter.«
Morgen ist so weit weg , denkt sie. Morgen ist wie außerhalb der Welt.
SIE
Als sie die Toilette in der Kantine des Theaters betritt, flackert eine der Neonlampen. Es summt und klackt. Der Raum wirkt heruntergekommen, die Kacheln an der Wand sind teilweise beschädigt.
Sie hält sich den Bauch. Ihr Magen rumort, und ihr ist schlecht. Sie stürzt in eine der Kabinen, reißt sich die Hose herunter, setzt sich auf die Schüssel und hat plötzlich das Gefühl, ihr Unterleib explodiere. Zwischen den Beinen spürt sie ein Reißen, ein Ziehen. Hitze von Verbrennungen. Pochende Schmerzen.
Sie steht auf, hebt ihren Pullover bis über den Bauch und sieht, wie Blut an ihren Schenkeln entlangläuft. Was ist das denn? denkt sie noch, dreht sich um und sieht etwas Blutiges in der Toilettenschüssel. Es ist ein Fötus, drei Monate alt. Ein Plasmaklumpen, aus dem ein Kind hätte werden sollen. Ihr Kind.
»Nein, bitte, nein, nicht.«
Sie kniet sich vor die Kloschüssel, das Gesicht dicht darüber. Sie ist völlig aufgelöst, weint. Ihr Bauch schmerzt noch immer, der Kopf hämmert, das Herz rast. Sie starrt lange mit geöffnetem Mund und völlig außer sich auf das blutige Etwas. Sie kann es nicht begreifen, die Gedanken nicht sortieren. Alles stürzt über ihr zusammen.
Irgendwann drückt sie auf die Spülung. Wasser rauscht. Das Blut löst sich auf, der Plasmaklumpen verschwindet. Der Fötus ist weg, ihr Kind verloren. Es bleibt der Schock.
Von da an hat sie das Gefühl, sich nicht mehr zu spüren. Sie steht neben sich und beobachtet sich dabei. Sie ist aus sich herausgefallen. Sie hat sich verloren. Wie eine Schlafwandlerin taumelt sie durch den Alltag, findet sich nicht mehr darin zurecht. Sie merkt, dass etwas in ihr kaputtgegangen ist. Sie ist unkonzentriert, ängstlich, hat Aussetzer. Immer wieder kommt die blutige Gestalt zurück, meist in der Nacht. Das Kind weigert sich, tot zu sein.
ICH
Kitty geht mir nicht aus dem Kopf. Die Hyänen auch nicht. Wie kann man sich nur Raubtieren zum Fraß vorwerfen? Wie krank muss man da sein? Wie selbstzerstörerisch? Wie angefüllt und voller Hass auf sich und die eigene Existenz? Das scheint nicht nur ein Freitod zu sein. Das ist die eigene Hinrichtung. Da wollte jemand das Leben auslöschen. Verfüttern. Es ist für mich ebenso unbegreiflich wie faszinierend.
Seit fast einer Stunde irre ich durch diesen deprimierenden Tierpark auf der Suche nach den Hyänen. Die Grausamkeit der Menschen wird hier in ihrem ganzen Ausmaß sichtbar. Beim Blick in das Gehege des traumatisierten schwarzen Panthers offenbart sich die wirkliche Bestie. Der Mensch, das Schwein. Eingesperrt auf fünfzig Quadratmeter wird das Tier, das normalerweise bis zu zweihundert Kilometer am Tag zurücklegt, zu einer bemitleidenswerten Kreatur, sein Leben zur Farce.
Es ist heiß. Ich schwitze. Mein Hemd klebt an Rücken und Bauch. Ich rieche mich selbst. Ich rieche nach Schweiß und Resten von Eau de Toilette.
Auf dem Weg zum Ausgang taucht doch noch das Gehege der Hyänen auf. Ich bleibe stehen, starre fasziniert und abgestoßen auf diese seltsamen Geschöpfe. Sie wirken deformiert, hässlich, mit einem Kopf, der an den eines Bären erinnert. Die erwachsenen Tiere sehen irgendwie verwegen aus, die Jungen dagegen putzig. Wie ist Kitty über diesen zwei Meter hohen Metallzaun gelangt? Ein Zaun, der auch noch elektrisch gesichert ist. Unweit des Geheges sehe ich eine Frau in einer grünen Latzhose. Sie schiebt eine Schubkarre vor sich her.
»Hallo, Sie?« Sie sieht zu mir herüber und kommt dann auf mich zu. »Darf ich Sie etwas fragen?« Die Frau bleibt neben mir stehen. Auf der Schubkarre ist Mist gehäuft. Es stinkt nach Dung.
»Wie viele sind denn hier im Gehege?« Ich zeige auf die Hyänen, die uns aufmerksam beobachten. Einige von ihnen kommen ganz nahe an den Zaun heran. Aus der Nähe sind sie noch hässlicher.
Die Frau stellt die Schubkarre ab. Sie dürfte Anfang zwanzig sein, trägt Gummistiefel, ein T-Shirt und in der Nase ein silbernes Piercing. Jetzt erst fallen mir ihre großen Hände auf. Sie passen gar nicht zu ihrem Körper.
»Sechs. Tüpfelhyänen und Fleckenhyänen. Die da, sehen Sie?« Sie spricht in einem Dialekt, den ich nicht zuordnen kann, und zeigt auf zwei Jungtiere, die im Sand miteinander spielen. Für
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