Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
Die Tierpflegerin wirkt nachdenklich. »Nichts dem Zufall überlassen, verstehen Sie? Sie wollte, dass die Hyänen sie töten.«
Die Vorstellung lässt mich erschaudern. Die Tierpflegerin scheint an meinem Grauen Gefallen zu finden. Das Lächeln wird zu einem breiten Grinsen. Seltsamerweise sieht sie dabei noch begehrenswerter aus.
»Das schien auch die Polizei so gesehen zu haben. Sie ging von einem Suizid aus. Die Frau war zuvor in psychiatrischer Behandlung.«
Ich werde hellhörig.
»Warum hat sie sich gerade das Hyänengehege ausgesucht und nicht das der Löwen oder Leoparden?«
»Vielleicht wusste die Frau besser über Tüpfelhyänen Bescheid als über andere Raubtiere«, sagt die Tierpflegerin. »Vielleicht waren es aber auch einfach ihre Lieblingstiere.«
»Oder wegen der weiblichen Dominanz«, sage ich und versuche zu lachen. Es wirkt gekünstelt, aber sie lacht ebenfalls, herzhaft, trotz der grausam zugerichteten Toten, über die wir uns unterhalten.
»Wer hat die Frau gefunden?«
»Ich.« Plötzlich verändert sich ihre Stimmung. Die Lustigkeit ist dahin. Ihr Gesicht wirkt erstarrt, abweisend und dennoch schön wie eine marmorne Skulptur. »Es war schrecklich. Ich habe es erst gar nicht bemerkt. Erst als ich die Hyänen lachen hörte. Sie lachen manchmal. Es hört sich zumindest so an. Sie drücken damit eine Art Glücksgefühl aus. Nach erfolgreicher Jagd ist dieses Lachen oft zu hören. Ich weiß noch, dass ich mich gewundert habe, dass sie schon vor der Fütterung lachen. Ich schaute nach, und da lag die Frau. Die Hyänenweibchen standen mit blutigen Köpfen um sie herum und lachten.«
Die Tierpflegerin fasst nach den Griffen ihrer Schubkarre. »Eine tragische Geschichte.«
»Kann ich Sie wiedersehen?« Ich berühre ihren Arm auf Höhe des Ellbogens.
Sie schaut mich an, schüttelt den Kopf und scheint zu wissen, was ich denke.
»Sie sind ein Jäger, das sieht man. Ich bin keine Beute. Das ist Ihnen vielleicht noch nicht aufgefallen. Obwohl ich manchmal schon Lust dazu hätte. Man kann aber nicht aus seiner Haut, verstehen Sie?«
Ich gebe ihr die Hand. Ihre ist warm, feucht und fühlt sich gar nicht so grob und groß an wie gedacht.
»Wiedersehen.«
Sie lächelt und zeigt dabei wieder ihre kleinen Zähne, greift nach ihrer Schubkarre und geht davon. Ich schaue ihr hinterher, starre auf ihren großen Hintern im grünen Stoff und liebkose ihn in Gedanken, sodass ich gar nicht bemerke, dass hinter mir jemand auftaucht.
»Na, so ein Zufall!« Es ist Mechthild Gotthoff. Sie klingt wirklich überrascht und strahlt über das ganze Gesicht. Sie hält einen vielleicht fünfjährigen Jungen an der Hand.
»Was machen Sie denn hier?«, frage ich und versuche die Kriminalkommissarin mit dem kleinen Jungen in Verbindung zu bringen.
Sie scheint meine Verwirrung zu bemerken. »Ich bin mit meinem Neffen hier.«
»Privat?«
»Privat. Sie haben kein Privatleben, was?«
»Nicht, solange ein Serienmörder hier herumläuft. Leider.«
ICH
Ich kann nicht mehr schlafen. Seit Tagen, seit ich hier bin. Zumindest nicht ohne Hilfsmittel. Alkohol, Drogen, Sex.
Es sind einfach zu viele Tote. Nur wenn ich einen Joint rauche, werde ich schläfrig. Nur wenn ich mit Greta vögle oder masturbiere, bin ich so erschöpft und entspannt, dass ich müde werde. Die Gedanken kommen zur Ruhe. Irgendwann fallen mir die Augen zu. Kaum bin ich eingeschlafen, taucht es auch schon auf, das Gesicht des Jungen, dem die Wucht meiner Kugel das Lächeln von den Lippen riss. Das Gesicht ist entstellt wie eine hässliche Landschaft. Ich verlaufe mich darin, jede Nacht aufs Neue. Im Labyrinth der Angst.
»Das hättest du nicht gedacht, was?«
Nein, das hätte ich nicht gedacht. Ich hätte nicht gedacht, dass ein Toter mich so verfolgen kann. Aus heutiger Sicht würde ich vermutlich nicht mehr schießen. Ich würde die vielen unschuldigen Opfer gegen das unbelastete eigene Gewissen eintauschen. Hundert Tote gegen einen Lebenden. Nur um die eigene Schuld zu tilgen. Das Gesicht spuckt mich an, verhöhnt mich. Ich irre in der Landschaft herum, stolpere, falle, bleibe liegen. Über mir das schmachvolle Gelächter. Ich zittere, schreie: Mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich wache schweißgebadet auf. Greta liegt neben mir im Bett, die Decke zurückgeschlagen. Ihre entblößte Nacktheit schüchtert mich ein. Ihr rasiertes Geschlecht scheint mich auszulachen.
Ich rauche den Joint zu Ende, der noch vom Abend übrig geblieben ist, und
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