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Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)

Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)

Titel: Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Zacher
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schlafe wieder ein.
    Aus dem Gesicht des Jungen werden zwei. Sie ergänzen sich, gehen ineinander über. Erinnert das andere Gesicht nicht an Kitty? Ich zittere, schreie wieder: Es ist vollbracht!
    Jetzt ist auch Greta wach. Sie legt sich auf mich, umschlingt mich mit ihren Armen, deckt mich mit ihrem Körper zu. Ich spüre ihren warmen Leib, ihre Brüste, den Bauch, ihren Atem.
    »Was ist?«, fragt sie. Mir kommt es so vor, als spreche ihr Geschlecht mit verstellter Stimme.
    »Die Träume«, sage ich, »diese verdammten Albträume.«
    »Hier, nimm das.« Sie reicht mir eine kleine blaue Tablette. Ich schlucke sie und spüle mit Weinresten nach. Ich schlafe sofort wieder ein. Der Schlaf wird tiefer, die Träume noch widerlicher. Mein Vater taucht auf. Das erste Mal überhaupt. Er wirkt älter, als ich ihn in Erinnerung habe, mit grauen Haaren, grauem Bart, lappiger Haut und einem bitteren Zug um den Mund. Er steht in seinem vietnamesischen Imbiss hinter dem Herd und rührt mit einem Kochlöffel im Wok. Es dampft. Flammen züngeln, das Gemüse zischt. Mein Vater verzieht keine Miene, blickt mich vorwurfsvoll mit seinem alten Gesicht an, als wäre ich schuld an seinem Verfall. Warum ist er so verbittert? denke ich im Traum und erkenne den Grund: meine Mutter.
    Sie sieht aus, als wäre sie tot. Die Haut bleich, die Augen starr, die Wangen eingefallen. Auch sie steht an einem Wok voll blubbernden heißen Öls. Ich stehe daneben, als Kind in der Garküche des vietnamesischen Imbisses in der Dimitroffstraße. Im heißen Fett eingetaucht, erkenne ich Kitty, mit krebsroter Haut und spöttischem Gesicht. Zusammen mit ihr schauen alle Toten aus dem blubbernden Topf: Laura, Frau Wagner-Zander, Stefan Ehrenfeld. Nur der Sicherheitsmann fehlt.
    »Wo ist dieser verdammte Sicherheitsmann?«, höre ich mich schreien und spüre Hände auf meinen Wangen. Dann Schläge am Jochbein. Es klingt wie das Klatschen beim Applaus.
    »Wach auf, Hài!« Es ist Greta, die mich wach rüttelt. »Du hast geträumt.«
    »Scheiße, ja.«
    Der Wolf auf ihrer Schulter sieht traurig aus.

SIE
    Sie schauen auf sie herab, als wäre sie krank, aussätzig, von einem ansteckenden Virus befallen. So kommt es ihr zumindest vor. Wie ein Bauerntrampel irrt sie herum . Sie lachen hinter ihrem Rücken. Zeigen mit den Fingern auf sie, verziehen die Gesichter zu hässlichen Fratzen. Kein Gefühl für Sprache, die Worte schleppend, die Bewegungen hölzern . In jeder Bemerkung wittert sie Verachtung und Spott. Sie ist in jeder Situation überfordert . Der Regisseur fragt, was los sei.
    »Nichts«, sagt sie, »gar nichts. Ich bin nur …«
    Spätestens beim Auftritt des Hauptmanns weiß man, das ist alles laienhaft, die Darstellerin völlig überfordert . Es ist die schlechteste Marie, die man sich vorstellen kann .
    »Nimm es dir nicht so zu Herzen. Das ist einer dieser widerlichen Schreiberlinge, die sich wichtiger nehmen als das, worüber sie schreiben sollen, verstehst du?«
    Nein, sie kann es nicht verstehen. Sie diskreditiert Büchner!
    Sie kann nicht mehr. Sie will nicht mehr. Sie schleppt sich zur zweiten Vorstellung, mit Beruhigungsmittel vollgestopft. Sie sitzt in der Maske wie auf dem Schafott. Die Marie kurz vor der Hinrichtung. Oder der Erlösung.
    »Geht’s dir gut?«, fragt die Maskenbildnerin scheinheilig, als wüsste sie es nicht besser.
    Sie nickt, lächelt. Im Spiegel erkennt sie sich nicht mehr. Wo ihr Gesicht sein sollte, ist ein weißes Loch, eine Fläche wie eine Pfütze aus Milch, in der sie zu versinken droht.
    »Wird schon wieder«, sagt die Maskenbildnerin und sie weiß, es wird nicht. Es wird alles anders.
    Als auf der Bühne Woyzeck den Betrug ahnt und sie in der Szene in Mariens Kammer damit konfrontiert, taumelt sie bereits.
    »Ach, bist du’s noch! Ei wahrhaftig! Nein, man sieht nichts«, urteilt Woyzeck.
    Sie steht ihm gegenüber, mit weichen Knien, trockenem Mund und brennenden Augen und sieht ihn nicht, sieht nur noch Weiß, wabernd, als wäre die Pfütze ein See, ein Meer, und sie mittendrin in einem Sturm, bei Schiffbruch.
    »Was siehst du so sonderbar, Franz, ich fürcht mich.« Er greift sie am Kopf, schüttelt sie und sagt, als wäre er sie: »Hm! Ich seh nichts, ich seh nichts. O, man müsst’s sehen, man müsst’s greifen könne mit Fäusten!«
    »Was hast du Franz?«, kommt es wie ein Rinnsal aus ihrem Mund, ein versickernder Wortstrom. Dann noch: »Du bist hirnwüthig.« Dann nichts mehr. Sie fällt auf die Knie. Während

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