Das Lachen der Hyänen: Thriller (German Edition)
nach Vergeltung endlich groß genug. Er merkte, wie sein Zorn immer größer wurde und ganz von ihm Besitz ergriff. Er konnte nicht mehr an ihren Tod denken, ohne wütend zu sein – und er dachte fast immer daran.
Die Wut bestimmte von nun an sein Leben. Je länger sie tot war, umso mehr sehnte er sich nach Vergeltung. Nur die Rache hielt ihn noch am Leben. Es war das Einzige, was für ihn noch zählte. Er wollte die Schuldigen zur Rechenschaft ziehen. Bestrafen. Noch wusste er nicht, wie, überlegte sich die unterschiedlichen Möglichkeiten und verwarf sie sogleich wieder.
Erst als er in der Stadt die Plakate des Zirkus Ramsani sah und darauf die angekündigte Sensation von sechs dressierten Hyänen las, entstand der Plan. Während der Vorbereitungen entwickelte er einen längst vergessen geglaubten Eifer, lebte auf, war wie ausgewechselt.
Dann schlug er das erste Mal zu.
ICH
Der Taxifahrer bestätigt, dass Hans-Joachim Mühlbauer am Tag seiner Ermordung um 22:00 Uhr mit ihm zum Teufelsberg gefahren war. Als er ihn gefragt habe, was er zu so später Stunde da oben wolle, habe er nur geantwortet, das könne er nächste Woche in der Zeitung lesen. Mühlbauer hatte sich getäuscht. Es stand schon am übernächsten Tag in der Zeitung. Mühlbauer muss auf jeden Fall verabredet gewesen sein. Sein Büro wusste nichts von diesem Termin. Seine Mitarbeiterin bestätigte zwar, dass eine Interviewanfrage vorlag, konnte aber nicht sagen, wann und wo. Mühlbauer habe nur gesagt, es sei eine große deutsche Tageszeitung, die etwas über ihn bringen wolle. Die Mitarbeiterin konnte sich nur an seine Formulierungen »Nicht das Übliche« und »Was ziemlich Großes« erinnern und an sein glückliches, auch stolzes Lächeln.
Ich fahre erneut in den Grunewald zum Teufelsberg. Dieses Mal mit dem Taxi, wie Hans-Joachim Mühlbauer. Die ehemalige Flugüberwachungs- und Abhörstation der US -amerikanischen Streitkräfte ragt hoch über den Berg hinaus. Die weißen Antennenkuppeln zeugen wie fünf hässliche Geschwüre von der vergangenen Zeit des Kalten Krieges.
Der dunkelhäutige Taxifahrer weiß über alles bestens Bescheid und glaubt offenbar, aufgrund meines wenig germanischen Aussehens, in mir einen Touristen zu erkennen. Er textet mich voll, als müsse er der vom Senat verordneten Hauptstadt-Kampagne gerecht werden: sei offen, sei kommunikativ, sei berlin . Dabei spricht er ein akzentfreies Deutsch und versprüht gute Laune in einem solchen Übermaß, dass meine proportional dazu in den Keller sinkt. Er geht mir nach wenigen Minuten ziemlich auf den Zeiger. Sei ruhig, halt die Fresse, fick dich, Berlin! Seine Augen sind mehr im Innenspiegel als auf der Straße. Als er die Stadtgeschichte und die Sehenswürdigkeiten endlich durchhat, fängt er auch noch an, den Arm-aber-sexy-Scheiß zu predigen. Ich bin froh, als ich endlich entkomme und bestrafe den Fahrer durch Trinkgeldentzug. Auf dem Rückweg verflucht er mich bestimmt , denke ich, was mich überraschend heiter stimmt.
»Soll ich warten?«
»Was?« Hat er tatsächlich gefragt, ob er warten soll?
»Sie müssen ja wieder zurückkommen, und da dachte ich …«
»Ich komme nicht zurück«, raunze ich ihn an, knalle die Tür zu und verschwinde. Der Fahrer macht keine Anstalten, wegzufahren.
Ich hätte mir denken können, dass mir diese Tatortbesichtigung keine neuen Erkenntnisse liefern würde. Was für Spuren sind schon in einer fast fünf Hektar großen Ruine zu erwarten? Überall zerbrochene Flaschen, Müll, Schutt, Schrott, Graffiti, Verfall. Ich verfluche mich für meine Naivität. Den Weg hätte ich mir sparen können , geht es mir durch den Kopf, als ich abseits vom Tatort – an der Stelle, an der Mühlbauer ermordet wurde – in einem der offenen Gebäude versteckt einen Schlafsack in einer Nische entdecke. Kerzenstummel, leere Flaschen, ein Gaskocher. Hier hat sich jemand gemütlich niedergelassen. My home is my castle. Sei individuell, sei teufel, sei berg.
Womöglich der Obdachlose, der den ermordeten Politiker gefunden hat. Ich bücke mich und durchsuche das Lager. Noch ehe ich mich wieder aufrichten kann, spüre ich einen stechenden Schmerz am Hinterkopf. Dann wird alles dunkel.
Schwarz.
SIE
»Es geht vorüber«, sagt Laura. »Du musst mir nur vertrauen, dann schaffen wir das, du und ich. Wir müssen in die nicht alltägliche Wirklichkeit reisen.«
Sie sagt es, als wäre dort das Paradies. »Es gibt eine untere, eine mittlere und eine obere Welt. Wir
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