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Das Lachen und der Tod (German Edition)

Das Lachen und der Tod (German Edition)

Titel: Das Lachen und der Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pieter Webeling
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sich breit grinsend um. Andere Verrückte ahmten ihn sofort nach.
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ruhe. Ruhe!«
    Sie sahen mit ebenso ängstlichen wie lachenden Gesichtern zu dem Verwalter hinüber. Mit verhaltener Wut erklärte er, dass nur der Angesprochene Ja sagen dürfe. »Ja? Asscher, Jacob!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    Ein paar zogen verrückte Grimassen und kugelten sich vor Lachen. Ich sah zu Helena hinüber, die neben mir stand. Sie lachte lautlos. Ich genoss die Ironie. Sie konnten die Irren zwar herumstoßen, schlagen und erniedrigen, aber in Sachen Verrücktheit mussten die Deutschen anerkennen, dass sie ihnen unterlegen waren.
    »Verdammt!«, schrie der Verwalter. »Ruhe! Asscher, Jacob!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    Die Jas hallten mittlerweile durch den ganzen Raum. Sie kamen von links, von rechts, von vorn und von hinten. Der Verwalter lief blauviolett an. Er begann, auf einen Mann einzuprügeln, der sich auf die Schenkel geklopft hatte vor lauter Vergnügen. Kreischend wehrte der Unglückliche die Schläge ab. Danach zupfte der Verwalter seine Uniform zurecht und hob das Kinn. »Noch einmal!«, warnte er. »Noch einmal! Asscher, Jacob!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    »Ja!«
    Der Verwalter zog wahllos den Erstbesten aus der Reihe heraus und warf ihn zu Boden. Wie ein Wahnsinniger prügelte er auf ihn ein. Der Mann schrie und fuchtelte wild mit den Armen. Anschließend zückte der Verwalter eine Pistole. Kurz dachte ich, er würde schießen, aber er nahm die Luger am Lauf und ließ den Kolben auf den Kopf seines Opfers niedersausen. Ich sah, wie der Mann vor lauter Todesangst seinen Urin nicht mehr halten konnte. Er sickerte aus seiner Schlafanzughose und verschwand zwischen den Ritzen der Betonplatten.
    »Schultz!«
    Der Offizier mit den weißen Handschuhen kam herein. Er wirkte verärgert. Die SS -Männer standen stramm. Auch der Verwalter machte einen kerzengeraden Rücken.
    »Schultz«, wiederholte er eisig. »Was soll das?«
    »Sabotage, Herr Obersturmbannführer!«
    »Sabotage? Immer mit der Ruhe. Ich glaube, inzwischen dürfte jeder die Botschaft verstanden haben.« Er stellte sich mit auf dem Rücken verschränkten Händen neben den Verwalter und lächelte. »Sie werden verstehen, dass es in diesem Lager Regeln gibt. Strenge Regeln. Saboteure werden nicht geduldet. Wenn ich also erleben muss, dass beim Verlesen der Namen noch jemand fälschlicherweise Ja sagt … Ich habe Sie gewarnt! Schultz?«
    »Herr Obersturmbannführer!«
    »Die Namen.«
    »Jawohl, Herr Obersturmbannführer. Asscher, Jacob!«
    »Ja!«
    Es blieb still. Zu meiner Erleichterung hatten sogar die Irren begriffen, dass es jetzt ernst war.
    »Barend, Sara!«
    »Ja!«, piepste ein Mädchen schräg hinter mir. Es war höchstens zehn, elf Jahre, alt und meldete sich. Auch mein Name wurde verlesen und der von Helena.
    Nach der Zählung mussten wir ein steinernes Rundbogentor passieren. Mir fiel auf, dass die SS -Männer freundlicher waren. Sie wollten kein Drama. Die Menschen wurden von einem Mann im weißen Kittel voneinander getrennt: Links oder rechts. Links bleiben, jetzt begriff ich! Aber warum? Der Widerling stand vorne in der rechten Reihe. Der wollte duschen, und zwar schnell.
    Ich sah die Mutter mit dem durch nichts zu erschütternden Baby, die in unserem Waggon gewesen war. Sie stand von uns abgewandt am Rand und gab ihrem Kind die Brust. Ein SS -Mann ging auf sie zu. Ich war nahe genug, um zu hören, was er sagte. Er fragte, ob sie Familie habe, einen Opa, eine Oma oder Tante. Die dürften ihr das Baby abnehmen, später würde sie mit ihrem Kind wiedervereint. Sie solle sich links anstellen, es gebe eine spezielle Säuglingsbetreuung, alles würde gut.
    »Nein!«, schrie sie. »Du nimmst mir mein Baby nicht weg!« Die ganze Zeit über hatte sie einen schüchternen Eindruck gemacht, aber jetzt trat sie ihrem Aufpasser wie eine Löwin entgegen. Der erschrak und wich einen Schritt zu rück. Er hob die Hände.
    »Gut, ist ja gut!«, sagte er kühl. »Kein Problem. Pfff.« Ein paar männliche Kollegen lachten ihn aus.
    Auf einmal fiel mir der Schlachthof ein: Vor Jahren war ich mit unserer damaligen Haushälterin Geertje und ihrem Mann Hendrik, der dort arbeitete, auf dem Schlachthof gewesen. Verängstigte, kreischende Ferkel wehrten sich mit aller Macht. Aber das Schlimmste daran war die Gleichgültigkeit und Fühllosigkeit der Schlachter. Vollkommen ungerührt setzen sie dem Tier

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