Das Lachen und der Tod (German Edition)
»Abführen!«
Von zwei baumhohen SS -Männern wurde ich zurück in das Gebäude gebracht. Am Eingang zum Keller bekam ich einen Schubs. Ich fiel mit dem Kopf voran die Treppe hinunter, konnte mich aber gerade noch rechtzeitig am Eisengeländer festhalten, um meinen Fall zu dämpfen. In einem modrigen Raum entdeckte ich ein Gestell, das eine Art halbiertes liegendes Fass trug. Über den gewölbten Brettern wurde ich grob fallen gelassen. Am unteren Ende befand sich eine Holzverschalung mit zwei Löchern, in denen meine Füße arretiert wurden. Einer der SS -Männer stellte sich vor mich und zog an meinen Armen, die er an meinen Ellbogen gepackt hielt. Ich konnte nirgendwohin ausweichen. Sein schnaubender Stierkopf befand sich nur wenige Zentimeter über meinem Gesicht. Ich sah die hervortretenden Adern und die gespannten Sehnen an seinem Hals. Sein Atem stank nach verfaultem Fleisch.
»So, du dummer Jude, ungehorsam gewesen?«, sagte er grinsend. »Bei jedem Schlag mitzählen!« Er nickte seinem Kollegen kurz zu. Der schlug mir mit einem langen, dünnen Stock unbarmherzig auf den Po. Ich stöhnte und zischte etwas zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ich höre nichts! Laut mitzählen!«
Wieder ein brutaler Schlag.
»Eins …«
Offensichtlich war mein Peiniger mit der Wirkung nicht zufrieden. Er zog meine Schlafanzughose herunter. Ich konnte nur beten, dass er den Diamanten nicht sah. Der Stock sauste erneut auf meine unterkühlte, straff gespannte Haut nieder. Ich brüllte.
» Zwei! «
Die Schläge hörten gar nicht mehr auf. Laut aufschreiend vor Schmerz und Wut zählte ich laut mit: Drei! Vier! Fünf! Ich spürte, wie alles anschwoll. Das Fleisch schien sich von meinen Knochen zu lösen. Dann ließen sie mich vom Gestell gleiten. Ich konnte nicht mehr stehen. Sie schleiften mich an beiden Armen in eine Ecke und ließen mich dort liegen.
Ich drehte mich auf die Seite, hustete und würgte trotz meines leeren Magens. Mir war glühend heiß und gleichzeitig erstaunlich klar im Kopf. Nachgeben. Bloß keine Dummheiten machen. In der Masse untertauchen. Wird man von Wölfen und Hyänen umzingelt, ist man in der Mitte der Herde am sichersten.
In dieser Nacht schliefen wir auf dem kalten Betonboden, Seite an Seite, auf strohgefüllten Jutesäcken und ohne Decken. Ich lag eingezwängt zwischen zwei Männern, die Polnisch oder Russisch sprachen. Sie schnarchten laut. Mein Magen zog sich vor lauter Hunger zusammen, meine Zunge fühlte sich an wie ein raues Stück Leder, und meine Pobacken waren blauschwarz. Sobald ich die Augen schloss, tauchte der schnaubende Stierkopf wieder vor mir auf. Ich dachte an Helena. Mit ihrer Hilfe schaffte ich es, den Albtraum in einen Traum zu verwandeln.
7
Am nächsten Tag brachen wir zum Außenlager auf, wo lange Reihen von Holzbaracken standen. Ich wurde der Baracke 32 zugeteilt, die genau wie die anderen ein dunkelbrauner, etwa vierzig Meter langer Schuppen war. An beiden Enden gab es zwei unverglaste Dachfenster. Eine vornehme Behausung – für Pferde.
Darin befanden sich lange Reihen mehr schlecht als recht zusammen gezimmerter Schlafkojen, und zwar je drei übereinander. Bei Einbruch der Dämmerung herrschte dort reger Betrieb. Ich sah Hunderte Männer in Zebrakleidung. Sie standen grüppchenweise zusammen und unterhielten sich, lagen mit dem Kopf zum Gang auf den Pritschen, wickelten sich Baumwolllappen um die Füße und klopften sich Sand aus den Kleidern. Ein Häftling nahm einen langen Zug von einer Zigarette, die er anschließend weiterreichte.
Neben der Tür befand sich das abgeschlossene Zimmer des Blockältesten, des Barackenleiters. Wie ich erfuhr, hieß er Schlomo und war Pole. Ich musste mich bei ihm melden, keine Ahnung, warum.
Ich klopfte an.
Schlomo saß hinter einem kleinen Tisch, vor sich einen der Länge nach aufgeplatzten Rohrstock. Wie die anderen trug auch er gestreifte Gefangenenkleidung, dazu eine rote Armbinde mit weißen Buchstaben: Blockältester . In seinem Zimmer standen ein aus Holzresten zusammengeschusterter Schrank, ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett aus Holz planken mit einem Jutestrohsack. Auch das war sicher keine Königssuite im Waldorf Astoria, aber immerhin bot es ein wenig Privatsphäre.
»Ich bin Ernst Hoffmann aus Holland und gestern angekommen.«
Er sah mich schweigend an, mit einem melancholisch-versonnenen Blick.
Der Blockälteste war ein sehniger, langsam kahl werdender Mann mit kurz rasiertem grauem Haar. Ich
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