Das Laecheln Deines Moerders
die Situation ausüben kannst. Du, meine Liebe, bist nämlich ein Kontrollfreak.«
Sie öffnete den Mund, um zu widersprechen, schloss ihn aber wieder. Er hatte ja Recht. »Na und?«
»Und du kannst nicht alles kontrollieren. Natürlich versuchst du es mit allen Mitteln, aber es geht eben nicht immer. Zum Beispiel versuchst du, deinen Kummer über den Tod meines Sohnes hier zu kontrollieren.« Er klopfte leicht auf den Grabstein. »Du hast ihn nie wirklich gehen lassen.«
»Wie bitte?
Ich bin doch nicht diejenige, die jedes Wochenende sein Grab besucht oder die an seinem Todestag sein Lieblingsessen kocht.
Ich
habe längst losgelassen.
Ihr
haltet fest. Und
das
ist es, wovor ich einen Heidenschiss habe.«
»Ich muss zugeben, dass mir die Erinnerungsessen auch nicht gefallen«, sagte Seth und legte sein Kinn auf den Grabstein. »Meine Frau hat damit angefangen und Allie hat den Brauch einfach nur fortgeführt. Aber das alles bedeutet nicht, dass wir nicht loslassen können, Jenna. Wir gedenken der Toten nur. Du bist diejenige, die noch immer seinen Ring am Finger trägt.«
»Stimmt gar nicht«, sagte sie und hielt ihm ihre ringlose linke Hand hin, merkte jedoch im gleichen Moment, dass sie die andere zur Faust geballt hatte. Die rechte Hand, an deren Daumen sie Adams Ring trug. Sie streckte sie aus und kippte sie nach links und rechts, um zu sehen, wie das schwindende Licht auf dem keltischen Muster funkelte. »Ja, das tue ich wohl doch.«
Seth zog eine weiße Braue hoch, dann streckte er ihr seine offene Hand entgegen. »Dann nimm ihn endlich ab.« Als sie nicht reagierte, ließ er die Hand fallen. »Ich kann mir vorstellen, dass es ganz schön hart sein muss, eine Frau mit dem Ring eines anderen am Finger zu lieben. Da kommt man automatisch ins Grübeln, ob man der Frau wirklich etwas bedeutet oder ob sie ihrer verlorenen Liebe noch immer nachtrauert. Wie steht’s damit, Jenna?«
»Ich …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht.«
»Immerhin.«
»Aber, Dad, das ist doch nicht dasselbe. Adam hätte mir nie einen Betrug unterstellt.«
»Und ob er das hätte. Er
hat
sogar«, sagte Seth fest. Er stand auf und strich sich das Gras von den Knien. »Was glaubst du denn, warum er Karate angefangen hat? Er konnte es nicht ausstehen. Ich sag dir, warum. Er war eifersüchtig auf Mark.«
»Auf Mark?«, wiederholte Jenna ungläubig. »Das ist doch lächerlich. Mark war Adams bester Freund. Mark und ich waren uns einfach nur sympathisch.«
»Er wusste das. Und er wusste auch, dass du treu warst, aber er wollte trotzdem dabei sein. Um sich zu vergewissern.«
»Das ist lächerlich«, sagte sie erneut. Doch dann dachte sie an damals. Es war nicht so abwegig. Überhaupt nicht abwegig. Adam hatte Karate tatsächlich gehasst, war aber dennoch Woche für Woche mit ihr hingegangen. »Okay, vielleicht ist es doch nicht so lächerlich«, gab sie zu.
»Mein Sohn war nicht perfekt, Jenna, aber er hat dich mehr geliebt als sein eigenes Leben. Als er starb, war es, als ob der beste Teil von mir starb, aber er hat dich zurückgelassen, und ich liebte dich wie meine eigene Tochter. Wenn du mir Hackbraten schmackhaft machen könntest, würde ich dich vielleicht sogar noch mehr lieben.«
Sie kicherte, wie er es beabsichtigt hatte.
»Ich wollte nie, dass du an sein Grab kommst und um ihn weinst. Ich wollte immer, dass du jemanden findest, der dich auch nur ein Zehntel so glücklich machen würde, wie Adam es getan hätte.« Er räusperte sich. »Also sag meinem Sohn jetzt Lebewohl und fang endlich wieder an zu leben. Und wenn es mit Steven sein soll, dann vergiss deinen Groll, denn deine Ausrede ist schrecklich. Falls er es eben doch nicht ist, dann such dir bitte schnell einen anderen. Verdammt, Mädchen, ich will noch mehr Enkel, und ich werde nicht jünger.«
Jenna stand auf und schlang die Arme um ihn. »Ich liebe dich, Dad.«
»Das weiß ich doch«, knurrte er, nahm sich dann aber zusammen. »Liebst du Steven, Jenna?«
Jenna dachte einen Moment lang nach, doch die Antwort war so einfach. »Ja. Das tue ich.«
»Dann geh jetzt und sag’s ihm.«
»Also gut, aber ich muss zuerst hier noch ein paar Worte loswerden. Kannst du mir eine Minute Zeit geben?«
Er lächelte. »Ich schau mal nach den Gräbern da drüben. Die Leute kommen nicht so oft, wie sie sollten.«
Und während Jenna beobachtete, wie Seth über den Hügel ging und verschwand, erkannte sie, dass das, was Seth tat, tatsächlich Liebe und Respekt entsprang
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