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Das Laecheln Deines Moerders

Das Laecheln Deines Moerders

Titel: Das Laecheln Deines Moerders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
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Er hockte sich vor seinen Utensilienkoffer und betrachtete das Innenleben wie ein Sommelier, der den richtigen Wein für das bevorstehende Festmahl auswählt. Er nahm eine Spritze, eine Injektionsnadel – ordnungsgemäß sterilisiert, versteht sich – und eine Phiole. Stirnrunzelnd musterte er die Gegenstände. Langsam gingen ihm die Arbeitsmittel aus. Er musste bald für Nachschub sorgen.
    Er stand auf und kehrte zu ihr zurück. Er zog die kostbare Flüssigkeit der Phiole auf die Spritze und drückte ein Tröpfchen heraus. Dann kniete er sich neben sie. »Bereit für ein paar neue Träume, Sammie?«
    Sie begann zu zappeln, aber sie hatte ohnehin keine Chance. Sie versteifte sich, als die Nadel die Haut ihres Arms durchstach, und stöhnte. »Nein«, flüsterte sie Mitleid erregend leise. »Bitte.«
    Er legte den Kopf auf die Seite. »Aber bitte gerne.« Dann beugte er sich vor und flüsterte ihr Szenen ins Ohr, die er sich grausiger nicht vorstellen konnte. Ihre neuen Träume würden … spannend werden.
    »Willkommen in der
K-Zone«,
sagte er mit tiefer Stimme, aber sie konnte ihn schon nicht mehr hören. Er wischte das Sägemehl beiseite, setzte sich hin und freute sich auf das, was nun kommen würde.

Freitag, 30. September, 18.45 Uhr
    B rads Dr. Marshall hatte den größten Teil der Fahrt bis nach Hause geschwiegen und nur dann und wann den Mund aufgemacht, um ihm den Weg zu weisen. Steven fuhr auf einen freien Parkplatz vor ihrer Wohnung und wandte sich ihr zu. Nachdem sie bei der Polizei von Raleigh ihre Aussage gemacht hatte, war sie still und kleinlaut geworden, als sei die Bedrohung erst mit der Anzeige real geworden. Er hatte so etwas schon oft erlebt. Nach einem solchen Vorfall reagierten die Leute häufig mit extremer Tapferkeit oder besonderem Optimismus – bis der Adrenalinrausch abebbte und die Realität ihren Platz beanspruchte. Er nahm an, dass Dr. Marshall nun an diesem Punkt angelangt war. Ihre Gedanken kreisten vermutlich um die offensichtlichen Fragen: Wer hatte den Zettel geschrieben? Und wie ernst war die Drohung zu nehmen?
    Sie saß reglos neben ihm und blickte auf ihre Hände, die gefaltet im Schoß lagen. Ihr Haar hing ihr ins Gesicht, sodass von der Seite nur noch die Nasenspitze zu sehen war. Ihre linke Hand war schmucklos, wie er bereits gesehen hatte, aber nun bemerkte er, dass sie am Daumen der rechten Hand einen schweren Silberring trug. Keltisches Design. Ein Herrenring.
    Das gefiel ihm nicht. Weder, dass sie einen Herrenring trug, noch dass es ihn störte. Aber natürlich hatte er in dieser Sache nichts zu sagen. Er hatte sie ja gerade erst kennen gelernt. Er kannte sie gar nicht.
    Und das gefiel ihm auch nicht. Zu seiner allergrößten Verärgerung musste er erkennen, dass er nicht weiterfahren wollte. Dass er ihre Zeit miteinander nicht beenden wollte. Ha! Als ob sie beide »Zeit miteinander« gehabt hätten. Sie hatten sich getroffen, geredet und würden nun vermutlich auseinander gehen, ohne sich je wieder zu begegnen. Dennoch zögerte er. Sie war so still, so reglos, meilenweit entfernt. Es war ihm unangenehm, ihren beinahe schon meditativen Zustand zu unterbrechen. Er beugte sich ein wenig zu ihr hinüber und roch den Kokosduft ihres Haars. Atmete tief ein. Und räusperte sich.
    »Dr. Marshall?«
    Ihr Kopf fuhr hoch, ihr Haar fiel zurück. Mit erstauntem, ja erschrecktem Blick sah sie ihn an. Doch dann schien sie sich zu besinnen, wo sie war und wer neben ihr saß. Ein rosa Hauch, der ihr ungemein gut stand, überzog ihre Wangen. »Tut mir Leid«, sagte sie. »Ich hatte gar nicht bemerkt, dass wir schon da sind.« Sie blickte auf ihre Finger, die nervös den Silberring betasteten. »Mir ist wohl eben erst richtig klar geworden, dass mich jemand genug hasst, um meine Reifen aufzuschlitzen und mir Drohbriefe zu schreiben.« Sie verzog die Lippen zu einem bitteren Lächeln. »Und das, ohne mir den Respekt korrekter Rechtschreibung zu erweisen.«
    Er erwiderte das Lächeln. »Bereit, hineinzugehen?«
    »Sicher. Lassen Sie mich nur eben meine Schlüssel suchen.« Sie wühlte einen Moment in ihrer Tasche, bis sie schließlich aufhörte und sich ihm zuwandte. In dem spärlichen Deckenlicht des Volvos sahen ihre Augen fast schwarz aus. »Ich glaube, Sie haben sie noch.«
    »Oh.« Er griff in seine Tasche und zog ihre Schlüssel heraus. »Bitte schön.«
    Sie nahm den Bund, ohne seine Finger zu berühren, was ihn enttäuschte. Und es ärgerte ihn, dass es ihn enttäuschte.

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