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Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
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sich im Großen Saal so wichtige Leute am Spieltisch versammelten und ein richtiges Spiel begann.
    Eigentlich müsste er jetzt natürlich Saljutow informieren, dass Egle gekommen war und mit ihr wieder dieser verfluchte Aligarch. Aber Kitajew konnte sich nicht entschließen, dem Chef an einem solchen Abend die Stimmung zu verderben. Zum Teufel mit ihnen allen! Sie würden auch ohne ihn zurechtkommen. Freilich, dachte er mit einem Anflug von Besorgnis, Vitas ist heute ebenfalls hier, und er und Aligarch – das wusste jeder im Kasino – hassen sich bis aufs Blut. . .
    Kitajew bahnte sich einen Weg durch die Menge im Vestibül zum Großen Saal. Was auch immer geschah, hier war jetzt sein Platz, im Spielsaal. Schon von der Tür aus sah er, dass die Gäste bereits am Kartentisch saßen. Er begegnete Shannas Blick. Wie immer beobachtete sie die Gäste und die Croupiers mit dem Gleichmut eines Buddha und der Scharfsichtigkeit eines Adlers. Sie lächelte kaum merklich und nickte ihm zu: Alles in Ordnung, gleich fangen wir an.
    Als Letzter setzte sich Kerim Balijew an den Tisch. Er war schon stark angetrunken. Ein gewandter Kellner, dem man nicht zweimal erklären musste, wie dieser Stammkunde zu bedienen war, stellte ihm sofort einen doppelten Kognak auf das grüne Tuch.
    Kitajew ließ seinen Blick schweifen – wo steckte Vitas? Sein Kunde war schon hier. Aber da eröffnete der Croupier das Spiel, die Einsätze wurden gemacht. Augenblicklich trat alles andere in den Hintergrund. Selbst die Zeit schien wie durch Zauberei stehen zu bleiben.
    Und dann . . .
    Ein Geräusch, durch die Wände gedämpft, aber trotzdem noch sehr laut. Mehr als das, ohrenbetäubend! Alle hörten es – im Spielsaal ebenso wie im Restaurant, wo schon der Sieger der »Betrunkenen Dame« feststand, im Billardsaal, in der Automatenhalle, im Vestibül . . .
    Gleb Kitajew erstarrte, konnte nicht glauben, was er hörte . . .
    Es war ein Schuss. Und er krachte im ersten Stock des Hauses.

17
    Im ersten Augenblick schien es Nikita, als hätte niemand richtig begriffen, was passiert war. Dann hörte man hysterische Frauenschreie, Lärm, Schimpfen, Getrampel. Das Publikum strömte scharenweise ins Vestibül. Nikita mischte sich unter die Menge und hielt nach Kitajew Ausschau – wo war er, wo waren seine Männer?!
    An der Kasse für die Ausgabe der Chips und an der Garderobe herrschte dichtes Gedränge und Geschubse. Viele Stammgäste, die sich noch an den jüngsten Besuch der Miliz erinnerten, versuchten, möglichst schnell ihre Chips umzutauschen, ihre Mäntel zu holen und sich aus dem Staub zu machen, um nicht erneut in einen Kriminalfall verwickelt zu werden. Die verwirrten, erschrockenen Kassierer wussten nicht, wie sie sich verhalten sollten. Die Wachleute rannten ziellos durchs Vestibül und waren im Zweifel, ob sie die Gäste nach draußen lassen durften oder nicht. Und nur das Balalaika-Orchester und der Chor, die beim Singen den Schuss nicht gehört hatten, schmetterten munter weiter ihr Lied.
    Kolossow nahm im Laufschritt die Marmortreppe zum ersten Stock. Beim letzten Mal war Kitajew sein Führer gewesen: geradeaus, nach rechts durch den Wintergarten in den Bankettsaal, wo Saljutow sie empfangen hatte. Aber jetzt drangen aus dem gegenüberliegenden Flügel laute, aufgeregte Stimmen. Von dort hörte man auch das herzzereißende, verzweifelte Weinen einer Frau.
    Nikita durchquerte rasch den Flur, trat durch eine weit aufgerissene Tür, vor der sich viele Menschen drängten, und kam in einen gemütlichen Aufenthaltsraum, der mit dunkelgebeizter Eiche vertäfelt war. Den Fußboden bedeckte ein dicker orientalischer Teppich. An den Wänden standen teure Ledersofas und Sessel. Die niedrigen Tische waren mit Flaschen bestückt, aus denen die Gäste sich selbst etwas zu trinken eingießen und Cocktails mischen konnten. In einem offenen Kamin brannte ein Feuer. Auf dem Teppich aber, mit dem Kopf fast das glühend heiße Kamingitter berührend, lag mit dem Gesicht nach unten ein Mann im dunklen Anzug. Sein blondes Haar war blutverschmiert. Zwei Schritte von dem Mann entfernt lag eine Pistole.
    Kolossow war nicht der erste am Tatort: Im Zimmer befanden sich bereits Kitajew, Saljutow (offenbar waren die beiden über eine der Dienstbotentreppen, die Nikita nicht kannte, heraufgekommen) und etwa fünf Männer des Sicherheitsteams, die schweigend einen aufgeregten, brünetten jungen Mann von der Tür wegdrängten. In der ersten Aufregung erkannte ihn Nikita

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