Das Laecheln der Chimaere
Interessant.«
Nikita betrachtete die Wunde im Genick des Toten. »Eine Schusswunde, aber trotzdem . . . Etwas stimmt hier nicht.«
Vorsichtig betastete er das Genick. Sofort war seine Hand voller Blut. Oberhalb der Schusswunde, direkt auf dem Scheitel, waren die Schädelknochen gesplittert.
Und da erblickte Nikita zwischen den Holzscheiten im Kamin etwas Dunkles. Er griff nach dem Schürhaken und stocherte in den Scheiten, bis der seltsame dunkle Gegenstand auf den Teppich fiel. Es war die Bronzestatuette eines sich aufbäumenden Pferdes auf einem schweren gusseisernen Postament. Das Metall hatte sich im Kamin stark erhitzt.
»Wo kommt das Ding her, ist es aus diesem Raum?«, fragte er.
Kitajew nickte, schaute suchend umher und zeigte dann auf ein Podest aus Holz, das in der Ecke zwischen den Sesseln stand und mit einer ganzen Kollektion von Skulpturen beladen war.
»Alles Bronzegüsse aus Kasli«, erklärte er heiser.
»Aha.« Nikita betastete erneut vorsichtig die Wunde auf dem Scheitel des Toten: Der Schädel war eingeschlagen. Darunter war eine weitere Schusswunde, ein Steckschuss. Die Kugel war also noch im Kopf. Aber die Hülse . . . Wo war bloß diese Hülse?
Er drehte den Körper wieder um, durchsuchte den Toten noch einmal, tastete den Teppich ab, schüttelte ihn sogar auf. Etwas klirrte. Eine Patronenhülse rollte übers Parkett. Kolossow hob sie auf.
»Was bedeutet das alles?«, fragte Kitajew.
»Ich glaube, danach müssen Sie jetzt nicht mich fragen«, antwortete Kolossow, »und Gasarows Erklärungen brauchen wir vorläufig auch noch nicht. Mit ihm unterhalten wir uns später.«
Kitajew blickte erschüttert auf den toten Vitas.
»Sorgen Sie dafür, dass bis zur Ankunft des Untersuchungsführers niemand das Kaminzimmer betritt, dass nichts berührt und eine Wache aufgestellt wird«, ordnete Nikita an und erinnerte sich verschwommen, dass er genau die gleichen Befehle erst vor wenigen Tagen gegeben hatte. »Und jetzt lassen Sie uns zu Saljutow gehen. Ich denke, mittlerweile wird er die Rolle des guten Samariters wohl zu Ende gespielt haben.«
18
Waleri Saljutow war in seinem Büro. Allein. Egle Taurage war nicht bei ihm. Das überraschte Nikita. Er hatte damit gerechnet, Zeuge einer romantischen Szene zu werden, obgleich er bisher nur eine höchst vage Vorstellung davon hatte, was den Besitzer des »Roten Mohn«, einen reifen, älteren Mann, mit diesem blutjungen Mädchen verband, der Schwester von Vitas Taurage, den sie dort im Kaminzimmer so untröstlich beweint, aber erst am Vorabend, vor Kolossows Augen, unbarmherzig aus dem eigenen Zimmer geworfen hatte.
Unklar war vorläufig auch, welche Rolle in diesem verworrenen Beziehungsknäuel Gasarow-Aligarch spielte, der von der Kasino-Wache gleich neben Taurages leblosem Körper festgenommen worden war, den Saljutow vor allen Anwesenden beschuldigt und den Gleb Kitajew ganz eindeutig für die Rolle des Sündenbocks ausersehen hatte.
Macht nichts, das finde ich alles raus, dachte Kolossow forsch. Ihr werdet schon noch nach meiner Pfeife tanzen, ihr Hundesöhne.
Saljutow saß am Schreibtisch, tief in Gedanken versunken, und blickte erschrocken hoch, als Nikita Kolossow und Kitajew polternd sein Büro betraten. Kolossow war entsetzt: Der Chef des »Roten Mohn« sah aus wie ein todkranker Mann. Aber es war wohl kaum das vorzeitige Ableben von Vitas Taurage, das ihn so mitgenommen hatte. Kolossow beschloss, jetzt sei es Zeit, mit offenen Karten zu spielen.
»Waleri Wiktorowitsch, was geht hier vor?«, fragte er scharf und setzte sich unaufgefordert in den Sessel gegenüber von Saljutow. »Begreifen Sie, was in Ihrem Kasino geschieht?«
Saljutow zündete sich eine Zigarette an, und Nikita sah, dass seine Hände verräterisch zitterten. Gleb Kitajew schloss die Bürotür und lehnte sich, wie schon beim letzten Mal, mit dem Rücken dagegen.
»Warum haben Sie mir verschwiegen, dass Sie an dem Tag, an dem Teterin erschossen wurde, einen Termin bei der Staatsanwaltschaft hatten, wegen des Mordes im Haus an der Moskwa?«, fragte Kolossow.
»Ich dachte, es sei nicht meine Sache, die Miliz darüber zu informieren«, antwortete Saljutow leise.
»Wessen Sache denn? Sollte etwa der Generalstaatsanwalt mich Ihretwegen anrufen? Ging es in diesem Verhör um einen gewissen Tengis Milowadse, genannt Chwantschkara? Ja oder nein?«
Saljutow wechselte einen Blick mit Kitajew. Der fuhr mit der Hand verzweifelt durch die Luft: Was habe ich Ihnen
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