Das Laecheln der Chimaere
vorsichtige Chef des Sicherheitsdienstes im »Roten Mohn«, vorläufig lieber keine direkten Fragen zu stellen und den Pit-Boss des Spielklubs nur zu beobachten.
Allerdings – bei diesem Gewühl und in dieser Hektik war das kaum möglich!
Das Balalaika-Orchester und der in der Eiseskälte schon heiser gewordene Chor schmetterte vorm Eingang »Kalinka«. Im Vestibül am Fortuna-Brunnen stand ein. adretter, rotwangiger Ordner in Smoking und Fliege und mit einem Mikrofon in der Hand. Er lud die Gäste des Kasinos mit lauter, freudiger Stimme ein, das Restaurant zu besuchen, wo eben jetzt »das in der Welt einzige internationale › Betrunkene-Dame ‹ -Turnier« beginne.
Die eine Hälfte des Restaurants war als improvisierter Dameklub eingerichtet worden. Auf den mit allerlei scharf gewürzten Häppchen gedeckten Tischen waren Spielbretter aufgestellt. Statt der Damesteine standen darauf kleine Schnapsgläser mit Rotwein, Weißwein und Wodka. Gespielt wurde »Schlagdame«. Jeder Spieler versuchte, seine »Steine« möglichst schnell an den Gegner abzugeben, der sie dann austrinken musste. Sieger war derjenige, der am schnellsten seine »Steine« losgeworden war und am wenigsten trinken musste. Das Spiel verlief sehr temperamentvoll, die beschwipsten Verlierer schieden aus, und die Sieger spielten weiter, eine zweite, dritte, fünfte Runde, bis der Champion feststand.
Das Resultat war, wie Kitajew schon befürchtet hatte, dass der größte Teil der Gäste sich im Restaurant drängte und nicht an den Spieltischen, sich bestens amüsierte und ausgiebig den alkoholischen Getränken und Snacks vom reich bestückten kalten Buffet zusprach.
Gegen neun Uhr abends begann die Lage sich etwas zu bessern. Die sehnlichst erwarteten betuchteren Kunden trafen ein, die schon im Voraus Plätze und Spiele bestellt hatten. Kitajew empfing sie gemeinsam mit dem Portier und den Wachmännern auf der Vortreppe. Im Großen Spielsaal wartete Saljutow persönlich auf sie. Es waren alles alte Stammkunden: der Gouverneur von Nertschinsk, sein jüngerer Bruder, der Gouverneur des Kreises Ochlomsk, ihr alter Spielpartner, der Baumwollkönig Sultankul Mamedow aus einer der mittelasiatischen Republiken, der Vorsitzende des Direktorengremiums der Firma »Wostokenergo«, der Parlamentspräsident des Bezirks Ussurien-Taiga, der »Zedern-Oligarch« von Priamurje.
Diese höchst respektablen Gäste interessierten sich nicht für solchen Firlefanz wie »Schlagdame« mit Besäufnis und kostenlosem Buffet und begaben sich ohne Umschweife in den Spielsaal, wo schon alles vorbereitet war.
Als letzter traf in einem silbernen Daimler und in Begleitung seiner persönlichen Leibwache Kerim Balijew ein, und Kitajew wies seine Leute sofort an, Vitas Taurage ausfindig zu machen und ihm mitzuteilen, er werde schnellstens gebraucht. Kerim Balijew war der achtundzwanzigjährige einzige Sohn und Erbe eines erfolgreichen Ölfabrikanten aus Kasan und eine der kostbarsten Eroberungen, die der »Rote Mohn« im letzten Jahr gemacht hatte. Balijew war vor seinem strengen und konservativen Vater, der den Sohn zu einem rechtgläubigen Moslem erziehen wollte, nach Moskau geflohen und ließ jetzt in der Hauptstadt die Puppen tanzen.
Zu Hause in Kasan, unter den Augen des Vaters, rührte Balijew keinen Alkohol an – es war ja vom Koran verboten. In Moskau hatte er damit keine Probleme. Aber spielen, richtig um große Summen spielen konnte er nur, wenn er sich zuvor in der Bar in die richtige Stimmung gebracht hatte und ihn weder große Verluste noch der Zorn seines empörten Erzeugers mehr schreckten.
Balijew in die nötige Stimmung bringen, ihn geschickt zum Spiel animieren, zu einer riskanten Partie Bakkarat, das konnte nur einer – Vitas Taurage. Balijew und er hatten sich angefreundet. Balijew glaubte aufrichtig, Vitas sei ein aufstrebender Filmschauspieler, und für Künstler hatte er eine große Schwäche.
Vitas erschien auf den Ruf der Wachmänner hin sehr schnell. Wie immer ähnelte er mit seinem blendenden Aussehen und seinem eleganten Anzug tatsächlich einem Leinwandhelden. Er begrüßte Balijew mit einer herzlichen Umarmung und führte ihn sofort in die Bar, um das Wiedersehen zu begießen. Kitajew atmete auf: In ungefähr einer halben Stunde würde Vitas den Sprössling des Kasaner Ölproduzenten ebenso zuverlässig in den Spielsaal dirigieren, und sie würden mit dem Spiel beginnen.
In diesem Augenblick klingelte Kitajews Handy, und der Wachposten vom
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