Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut
du?“
Er hielt kurz an der Tür. „Nach Cheapside.“
„Zu dem Gesindel, das du deine Freunde nennst, nehme ich an.“
„Richtig.“
„Ja. Was soll man erwarten. Fitz-Gervais’ Mangel an Standesbewusstsein ist nicht spurlos an dir vorübergegangen, so wenig wie sein Mangel an Königstreue. Und …“
Mortimer ging hinaus, weil er den Rest lieber nicht hören wollte. Ihm graute davor, die Achtung vor seinem Vater zu verlieren. Er hätte nicht gewusst, wie er auf sie verzichten sollte, sie hatte so lange sein Leben bestimmt. Aber die Gefahr bestand durchaus. Dabei hatte er sich von vornherein keine großen Illusionen gemacht, was ihr Verhältnis betraf. Er hatte Robins Rat zögernd befolgt und mit Agnes über seinen Vater gesprochen. Und es war genau so gekommen, wie sie prophezeit hatte: Als sie sich in Eltham zum ersten Mal wiedersahen und Mortimer seinem Vater das Schwert brachte, das Robin ihm damals abgenommen hatte, schloss sein Vater ihn selig in die Arme und versprach ihm, alles gutzumachen, was sie in den letzten Jahren versäumt hatten. Seine Wärme hielt jedoch nur so lange an, bis er feststellen musste, dass sein Sohn seinen mörderischen Hass auf Robin nicht unbedingt teilte, dessen Söhnen sogar in Freundschaft verbunden war, dass er seiner Mutter praktisch alles verzieh, weil er sie als Dichterin so glühend verehrte, dass er lieber las als hurte, seine Zeit lieber mit irgendwelchen Schreiberlingen und Wirrköpfen verbrachte als mit des Königs Rittern, und dass er zu allen Dingen eine eigene Ansicht hatte, die er nachdrücklich und oft mit beißendem Sarkasmus vertrat.
Also stritten sie meistens. Aber Mortimer blieb. Er glaubte, es müsse einen Sinn haben, dass Gott ihm seinen Vater wiedergegeben hatte. Und wenn Gott der Meinung war, der Sinn läge darin, dass sie stritten, dann musste es wohl so sein. Es bedrückte ihn, nicht zuletzt, weil er spürte, dass er den Groll seines Vaters gegen Robin und seine Mutter weiter schürte, doch das änderte nichts an seiner Entschlossenheit. Er blieb. Immerhin lag London sehr viel näher an Waringham als Leicester. Von hier aus trennte ihn nur ein Tagesritt von Margery …
Sein Ziel, die Taverne Zum Bischofskopf , lag auf der Westseite von Cheapside, kurz hinter St. Paul. Mortimer rätselte manchmal, was es mit dem Namen wohl auf sich hatte. Er war einigermaßen sicher, dass es sich nicht um Sudburys Kopf handelte – der hätte schwerlich den langen Weg vom Tower Hill durch ganz Cheapside bis hierher rollen können. Aber nicht einmal der Wirt wusste, woher der Name stammte.
Es war noch Nachmittag, doch in der dämmrigen Gaststube war schon einiger Betrieb. Das ruppige Dezemberwetter hatte die Leute frühzeitig ins Wirtshaus getrieben. Hier verkehrten weniger die Gesellen der nahe gelegenen Schlachthöfe von The Shambles, als vielmehr Angestellte und Schreiber der wohlhabenden Kaufleute, des Londoner Adels oder der königlichen Kanzlei. Zu Letzteren gehörte auch Thomas Hoccleve, ein Trunkenbold und begabter Dichter, der ewig auf der Suche nach einem großzügigen Gönner war und ewig erfolglos. Mortimer mochte ihn gern. Hoccleve war fast zehn Jahre älter als er, aber so vollkommen verrückt, dass Mortimer sich in seiner Gesellschaft manchmal uralt vorkam.
Als Hoccleve ihn entdeckte, winkte er aufgeregt. „Mortimer! Der Mann mit der besonders spitzen Feder. Komm her.“
Mortimer setzte sich zu ihm. „Und was mag das wieder bedeuten?“
Hoccleve lächelte ihn treuherzig an. „Jemand raunte in mein Ohr, du versuchtest dich seit neuestem in politischer Dichtung.“
Mortimer hob seufzend die Schultern, nickte dem Wirt zu und wartete, bis er sein Bier bekam. Nachdem er getrunken hatte, sagte er: „Eigentlich sollte ich mich um meinen Aeneas kümmern.“
„Ja. Ein nobles Thema. Und gesünder.“
„Bestimmt. Andererseits, meine Mutter sagt, man solle von dem schreiben, was einen umgibt.“
„Hm. Und du siehst dich von des Königs neuen Erpressermethoden umgeben, ja? Oder gar umzingelt?“
Mortimer sah sich alarmiert um. „Meine Güte, nicht so laut, Tom …“
Hoccleve senkte die Stimme. „Nimmt er deinen Vater auch aus?“
Mortimer lächelte spöttisch. „Meinen Vater? Der war auf des Königs Seite bei Radcot Bridge, und außerdem hat er derzeit keinen Penny.“
„Ich meinte eigentlich auch mehr deinen Stiefvater.“
„Das wollen wir doch bitte sorgsam auseinanderhalten, ja.“
„Entschuldige, Kumpel.“
Mortimer winkte mit
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