Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut
Warte noch ein bisschen. Also?“
Robin rutschte unbehaglich auf seinem Hocker hin und her. „Er ist meistens harmlos. Aber es stimmt, er kann mich nicht ausstehen.“
Sie kam zum Tisch zurück. „Weißt du, warum?“
„Wegen Vater und irgendeiner Frau.“
„Wer sagt das?“
„Conrad.“
„Und was sagt Conrad sonst noch?“
„Kein Sterbenswort. Was immer der Anlass war, es kann nicht um Helen gegangen sein. Sie ist zu hässlich.“
„Nein, es war Stephens erste Frau.“
Er nahm die Kompresse doch vom Gesicht. „Was weißt du darüber?“
Sie seufzte und schüttelte den Kopf. „Was Cecily mir erzählt hat, klang ziemlich verworren. Sie bringt Sachen durcheinander. Aber es war wohl so, dass Stephen vor Jahren einen guten, großen Hof in Waringham hatte. Neunzig Acres und eine ansehnliche Schafherde. Sein Vater war einer der angesehensten Bauern im Dorf. Ein freier Mann. Stephen erbte den Hof und heiratete die Tochter eines anderen Bauern, während Vater im Krieg war. Als er zurückkam, gab es Ärger. Und der Grund war, dass Vater schon vor dem Feldzug ein Auge auf das Mädchen geworfen hatte und nun wütend war, dass sie verheiratet war. Es heißt, sie war eine Schönheit. Was dann kam, musste ich mir ein bisschen zusammenreimen, aber es muss ungefähr so gewesen sein: Vater vertrat den Standpunkt, sie hätten nicht ohne seine Erlaubnis heiraten dürfen, und verdonnerte Stephen zu einer ruinösen Geldbuße. Stephen erhob Einspruch. Er erklärte, er sei ein freier Mann und brauche niemandes Erlaubnis um zu heiraten. Da hat Vater einfach bestritten, dass er ein freier Mann sei. Obwohl jedermann es wusste. Sie zogen vor Gericht. Stephen brachte zwölf Zeugen, die beschworen, dass seine Familie seit jeher freie Leute waren. Aber Vater hatte ein Dokument, eine alte Jahresabrechnung der Gutsverwaltung, die besagte, dass Stephens Großvater in dem Jahr Reeve gewesen sei.“
Robin schüttelte verständnislos den Kopf. Der Reeve war für gewöhnlich irgendein alteingesessener, angesehener Bauer, der das Bindeglied zwischen Gutsverwaltung und Pächtern darstellte. Er überwachte die Weiderechte und die Einhaltung des Dreifelder-Turnus, er hatte dafür zu sorgen, dass die Bauern zum Frondienst auf dem Gutsbetrieb antraten, er wusste, wer wie viel Stück Vieh besaß und wem welches Feld gehörte und wie viel Pacht jeder Bauer schuldete. Auf kleineren Gütern war der Reeve oftmals der eigentliche Gutsverwalter. Mancherorts wurde er von den Bauern selbst gewählt, in anderen Fällen, so auch in Waringham, bestimmte der Gutsherr, wer Reeve wurde. Seine Machtbefugnisse und Pflichten waren von Ort zu Ort sehr unterschiedlich. Bloß eine Regel galt grundsätzlich überall: Nur Leibeigene konnten Reeve werden.
„Also hatte Stephen sich geirrt?“, fragte Robin ungläubig.
Agnes schüttelte unglücklich den Kopf. „Nein, Robin. Das Dokument war eine Fälschung.“
Er war entsetzt. „Wie … wie konnte er das nur tun?“
„Ich weiß nicht. Jedenfalls sah es schlimm aus für Stephen. Mit einem Mal war er unfrei geworden, und die hohe Geldbuße ruinierte seinen Hof.“
„Bis er ihn verloren hat.“
„Ja, er konnte ihn nicht mehr halten.“
Robin schwieg. Er schämte sich. Er schämte sich wieder einmal für seinen Vater, und dieses Mal zu Recht.
Agnes sah ihn bekümmert an. „Das ist noch nicht alles.“
„Oh nein.“
„Sie verloren den Hof letztlich nicht wegen der Geldbuße. Die hat Vater ihnen nämlich schließlich größtenteils erlassen.“
„Ich bin nicht sicher, ob ich den Rest hören will.“
„Überleg es dir und sag mir Bescheid.“
Er verschränkte die Finger im Schoß und sah darauf hinunter. „Ich kenne den Rest. Ich erinnere mich wieder. Vater und Mutter hatten einen höllischen Streit deswegen. Damals hab ich nicht verstanden, was sie sagten, oder vielmehr brüllten, aber jetzt. Stephens Frau ist zu Vater gegangen, nicht wahr? Und nachdem er gekriegt hatte, was er wollte, hat er ihm den ungezahlten Rest der Buße erlassen.“
„Ja.“
„Oh, Agnes. Er war ein Ungeheuer. Nicht besser als Mortimer.“
„Oder Guillaume.“
„Ja.“
„Ich denke, ganz so schlimm war er wohl doch nicht. Viele Leute haben nur Gutes über ihn zu sagen. Und die meisten Leute in Waringham sind nett zu uns, oder?“
„Schon. Trotzdem.“
„Ja. Wenn es um Frauen ging, war er kein Edelmann.“
„Was geschah mit Stephens Hof?“
„Es gab eine Missernte. Das gab ihm den Rest. Er musste aufgeben.
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