Das Lächeln der Frauen
Aschenbecher aus (fünf Zigaretten) und löschte das Licht. Ich war
hundemüde, und für den Moment war die dringendere Frage wohl eher die, was
passieren würde, wenn Robert Miller nicht nach Paris kam.
Am Freitagmorgen erwartete mich
Monsieur Monsignac schon in meinem Büro. »Ah, mein lieber André, da sind Sie ja
endlich, bonjour, bonjour!« rief er mir entgegen und wippte auf seinen
braunen Lederschuhen unternehmungslustig vor und zurück. »Ich habe Ihnen das
Manuskript einer jungen und sehr hübschen Autorin auf den Schreibtisch gelegt -
sie ist die Tochter des letzten Goncourt-Preisträgers, mit dem ich sehr
befreundet bin - und ich würde Sie ausnahmsweise bitten, sich das rasch anzuschauen.«
Ich zog mir
den Schal vom Hals und nickte. In meiner ganzen Zeit bei den Editions Opale hatte
ich es noch nie erlebt, daß Monsieur Monsignac etwas nicht rasch zurückhaben
wollte. Ich warf einen Blick auf das Manuskript der
Goncourt-Preisträger-Tochter, das in einer Klarsichtmappe steckte und den
elegischen Titel Confessions d'une fille triste (Bekenntnisse eines traurigen
Mädchens) hatte. Das waren höchstens hundertfünfzig Seiten, und wahrscheinlich
mußte man nur fünf Seiten davon lesen, bis einem von der üblichen narzißtischen
Selbstbespiegelung, die man heute so oft als bedeutungsvolle Literatur
angeboten bekam, schlecht wurde.
»Kein Problem,
ich gebe Ihnen bis heute mittag Bescheid«, sagte ich und hängte meinen Mantel
in den schmalen Schrank neben der Tür.
Monsignac
trommelte mit den Fingern auf seinem blau-weiß gestreiften Hemd herum. Er war
eigentlich nicht klein, aber doch etwa zwei Köpfe kleiner als ich und erheblich
umfangreicher. Trotz seiner Statur verstand er es, sich zu kleiden. Er haßte
Krawatten, trug handgefertigte Schuhe und Paisleyschals und wirkte trotz seiner
Körperfülle äußerst agil und beweglich.
»Wunderbar,
André«, sagte er. »Wissen Sie, das mag ich so an Ihnen. Sie sind so herrlich
unprätentiös. Sie reden nicht groß rum, Sie stellen keine überflüssigen Fragen,
Sie machen die Dinge einfach.« Er sah mich aus seinen strahlend blauen
Augen an und klopfte mir auf die Schulter. »Sie werden es noch weit bringen.«
Dann zwinkerte er mir zu. »Falls das Ding hier Schrott ist, schreiben Sie
einfach ein paar aufbauende Sätze zum Inhalt, Sie wissen schon - es hat
durchaus Potential und man ist gespannt, was die Autorin noch schreiben wird,
und so weiter und so weiter -, und sagen es dann sanft ab.«
Ich nickte und
verkniff mir ein Grinsen. Und dann, schon zwischen Tür und Angel, drehte sich
Monsignac noch einmal um und sagte den Satz, auf den ich schon die ganze Zeit
gewartet hatte.
»Und? Alles
klar mit Robert Miller?«
»Ich bin im
Gespräch mit seinem Agenten Adam Goldberg, und der ist ganz zuversichtlich«,
entgegnete ich. Der alte Monsieur Orban (der, der neulich beim Kirschenpflücken
vom Baum gefallen war) hatte mir einmal einen Rat gegeben. »Wenn du lügst,
bleib so nah an der Wahrheit, wie's geht, Junge«, hatte er gesagt, als ich an einem
herrlichen Sommertag die Schule geschwänzt hatte und meiner Mutter eine
haarsträubende Lügengeschichte auftischen wollte, »dann stehen die Chancen gut,
daß man dir glaubt.«
»Er sagt, wir
kriegen Miller«, fuhr ich beherzt fort, und mein Puls beschleunigte sich. »Im
Grunde geht es nur noch um die ... äh ... Feinabstimmung. Ich denke, am Montag
weiß ich Genaueres.«
»Schön ...
schön ... schön.« Jean-Paul Monsignac schritt mit zufriedener Miene durch die
Tür, und ich kramte in meiner Tasche. Und nachdem ich eine kleine Dosis Nikotin
zu mir genommen hatte (drei Zigaretten), beruhigte ich mich allmählich. Ich riß
mein Fenster auf und ließ die klare, kalte Luft herein.
Das Manuskript
war Françoise Sagan für ganz Arme. Abgesehen davon, daß eine junge Frau, die
nicht so recht weiß, was sie eigentlich will (und deren Vater ein berühmter
Schriftsteller ist), auf eine karibische Insel fährt und uns dort an ihren
sexuellen Erlebnissen mit einem schwarzen Inselbewohner (der die ganze Zeit
über bekifft ist) teilhaben läßt, gab es keine nennenswerte Handlung. Jeder
zweite Abschnitt beschrieb die Befindlichkeiten der Heldin, die eigentlich
keinen so recht interessierten, nicht einmal den karibischen Lover. Am Ende
reist die junge Frau wieder ab, das Leben liegt immer noch vor ihr wie ein
großes Fragezeichen, und sie weiß nicht, warum sie so traurig ist.
Ich für meinen
Teil wußte es auch nicht. Wenn
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