Das Lächeln der Frauen
Zahnarzt verlegen stotterte:
»Well
... das ... das habe ich sehr gerne gemacht ... sehr gerne ... wissen Sie
... ich ... ich ...« Er suchte nach Worten, die ihm gar nicht einfallen
konnten.
Ich
warf Adam einen flehenden Blick zu. Adam sah auf die Uhr und beugte sich zu
seinem Bruder. »Sorry, Mr. Miller, aber wir müssen jetzt wirklich los«,
sagte er. »Wir haben ja noch das Essen.«
»Ja«,
fiel ich ein, und meine Erstarrung wich dem panischen Wunsch, den Zahnarzt von
Aurélie Bredin loszueisen. »Wir sind wirklich schon spät dran.«
Ich
packte Sam Goldberg am Arm und zog ihn förmlich von seinem Sitz. »Tut mir leid,
wir müssen aufbrechen.« Ich nickte Aurélie Bredin entschuldigend zu. »Es warten
schon alle.«
»Ach,
Monsieur Chabanais«, sagte sie, als ob sie mich erst in diesem Augenblick
bemerkte. »Haben Sie vielen Dank für die Einladung zur Lesung.« Ihre grünen
Augen funkelten, als sie jetzt einen Schritt zurücktrat, um uns vorbeizulassen.
»Es
war schön, Sie zu sehen, Mr. Miller«, sagte sie und reichte dem verwirrten Sam
die Hand. »Ich hoffe, Sie vergessen unsere Verabredung nicht. «
Sie
lächelte wieder und strich eine dunkelblonde Haarsträhne zurück, die sich aus
ihrer Spange gelöst hatte. Sam sah sie sprachlos an. »Au revoir, Mademoiselle«,
sagte er dann, und bevor er noch etwas von sich geben konnte, schoben wir ihn
durch die Menge der Besucher, die sich ihre Mäntel überzogen und redeten.
»Wer
... wer ist diese Frau«, fragte er leise und verdrehte immer wieder den
Kopf nach Aurélie Bredin, die mit ihrem Buch vor dem Pult stand und ihm
nachsah, bis wir die Buchhandlung verlassen hatten.
11
Es
war weit nach Mitternacht, als ich Bernadette bat, mir ein Taxi zu rufen. Nach
der denkwürdigen Lesung in der Librairie Capricorne waren wir noch auf
ein Glas Wein zu ihr nach Hause gegangen. Und das konnte ich auch gebrauchen.
Ich
muß zugeben, daß meine Verwirrung ziemlich groß war, als ich Robert Miller
nachsah, der immer wieder über die Schulter zurückblickte, bevor er zusammen
mit André Chabanais und einem anderen Herrn in einem hellbraunen Anzug aus der
Buchhandlung stolperte.
»Weißt
du, was ich nicht verstehe?« hatte Bernadette zu mir gesagt, als wir die Schuhe
abgestreift hatten und uns dann auf ihrem großen Sofa gegenübersaßen. »Du hast
einen Brief geschrieben, er hat einen Brief geschrieben, und dann starrt er
dich an wie eine Erscheinung, reagiert gar nicht und tut so, als ob er deinen
Namen noch nie gehört hat. Das finde ich ziemlich merkwürdig.«
Ich
nickte. »Ich kann mir das auch nicht so recht erklären«, entgegnete ich und
versuchte mir noch einmal alle Einzelheiten meines kurzen Gesprächs mit Robert
Miller in Erinnerung zu rufen. »Weißt du, er wirkte so ... so verdutzt. Fast
schon weggetreten. So als ob er gar nichts verstehen würde. Vielleicht hat er
einfach nicht damit gerechnet, daß ich zu seiner Lesung komme.«
Bernadette
trank an ihrem Wein und griff in eine Schale mit Makadamianüssen.
»Hm«,
sagte sie und kaute nachdenklich. »Aber er war ja schließlich nicht betrunken,
oder? Und warum sollte er verdutzt sein? Mal ehrlich: Er ist schließlich Autor,
da kann er doch nicht völlig platt sein, wenn eine Frau, die sein Buch so
großartig findet, daß sie ihn sogar zum Essen einladen will, zu seiner Lesung
kommt.«
Ich
schwieg und ergänzte im stillen: Jemand, der ihm auch noch ein Photo von sich
geschickt hat. Doch davon wußte Bernadette nichts, und ich hatte auch nicht
vor, es ihr zu erzählen.
»Als
ich unsere Verabredung erwähnt habe, hat er auch nur so seltsam geguckt.«
Plötzlich kam mir ein Gedanke. »Oder meinst du, er war irgendwie verlegen, weil
die anderen aus dem Verlag dabeistanden?«
»Halte
ich für unwahrscheinlich ... der war doch vorher auch nicht gerade schüchtern.
Überleg mal, wie er die Fragen pariert hat!«
Bernadette
zog die Spange aus ihrem Haar und schüttelte es auf. Die hellen blonden
Strähnen leuchteten im Licht der Stehlampe, die neben dem Sofa stand. Ich betrachtete
sie, wie sie sich mit den Händen durch die Haare fuhr.
»Findest
du, daß ich sehr verändert aussehe, wenn ich meine Haare aufgesteckt habe?«
fragte ich.
Bernadette
sah mich an. »Also, ich würde dich immer erkennen.« Sie lachte. »Warum
fragst du? Weil die Frau aus dem Buch, die dir ähnlich sieht, ihre Haare offen
trägt?« Sie zuckte die Achseln und lehnte sich zurück. »Hat er diese Lesung
denn in seinem Brief erwähnt?«
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