Das Lächeln der Kriegerin
Kriegsmasken. Trotz nur eines Pferdes schleppen sie fünf Tote mit sich. Außerdem haben sie einen Gefangenen, der die Farben von Rimgarth trägt. Bei ihm befindet sich ein Wachposten, zwei weitere sichern das Lager zu beiden Seiten des Weges.«
»Rochon ist bei ihnen«, sagte Lothiel. »Konntet ihr sehen, wie es ihm geht?«
»Er scheint nur leicht verwundet. Kannst du mit Leithian umgehen?«
Lothiel nahm den großen Bogen zur Hand. Sie spannte ihn probeweise. Sie musste weit mehr Kraft einsetzen als bei dem kleinen Jagdbogen, der nun ihre Eltern auf der letzten Reise begleitete, doch für die Größe der Waffe ließ sich die Sehne sehr leicht spannen. Das biegsame Holz, das dem Bogen seine Kraft verlieh, war Lothiel unbekannt. Es musste von besonderer Art sein. Sie legte einen Pfeil auf und suchte sich ein Ziel in der anbrechenden Dunkelheit. Etwa fünfzig Schritt voraus konnte sie gerade noch den schlanken Ast einer Buche erkennen. Sie nahm sich kaum Zeit. Der Pfeil trennte den Ast vom Stamm. Lothiel saß ab und lief ihm hinterher. Er hatte das Holz durchschlagen und steckte tief im Stamm eines zweiten Baums. Dennoch ließ er sich leicht herausziehen und war unversehrt. Auch das Holz dieser Pfeile schien kein gewöhnliches zu sein.
»Leithian hätte keine bessere Schützin finden können«, sagte Magor, als Lothiel mit dem Pfeil in der Hand zurückkehrte. »Wir müssen uns aufteilen. Wir sollten so lange wie möglich die Deckung der Bäume nutzen. Daher darf sich keiner von uns auf dem Weg zeigen. Selldur nähert sich von dieser Seite südlich des Weges. Lothiel kommt möglichst genau von Nordosten. Ich werde das Lager umgehen und mich von Südwesten her anschleichen. Da ich den längsten Weg habe, will ich den ersten Schuss abgeben. Achtet auf den südlichen Wachposten. Wenn er fällt, ist das euer Zeichen. Handelt auf keinen Fall vorher. Lothiel, du musst dich dem Gefangenen und seiner Wache gegenüber postieren. Von dort aus kannst du sowohl diese als auch die am nördlichen Ende des Lagers ausschalten. Traust du dir das zu?«
Lothiel nickte.
»Wenn wir schnell sind, haben die Schlafenden bis dahin nichts bemerkt. Suche zunächst die unverletzten Männer zu treffen. Halte auch deine Klinge bereit.«
»Was soll ich tun?«, fragte Selldur.
»Wenn du siehst, dass die Wache bei Rochon getroffen ist, versuche ihn loszubinden«, antwortete Magor und klopfte ihm auf die Schulter. »Lass deine Schleuder sprechen, so oft es dazu die Gelegenheit gibt.«
Magor hatte die Gegebenheiten gut beschrieben. Die Mörder wähnten sich nicht in Gefahr. Im Schein der kleinen Feuer konnte Lothiel einen guten Überblick gewinnen. Vor allem die aufrecht sitzenden Posten waren leicht zu erkennen. Sie befand sich genau gegenüber von Rochon und hatte Mühe, sich zu beherrschen. Am liebsten hätte sie seinem Wächter sofort eine tödliche Botschaft gesandt oder wenigstens dem Gefangenen zugerufen, dass alles gut werde. Sie konnte Rochon nur als eine zusammengerollte Gestalt am Fuße eines Baumes ausmachen. Vermutlich war er an Beinen und Händen gefesselt. Vielleicht schlief er, jedenfalls verhielt er sich ganz ruhig. Um die Feuer konnte sie weitere Männer liegen sehen, doch sie hatte nicht alle im Blick. Auch wusste sie nicht, ob unter ihnen einige der Verwundeten waren. Hin und wieder hörte sie ein Stöhnen.
Etwas abseits war das Pferd an einen Baum gebunden. Lothiel war sich sicher, es handele sich um Tass. Wenigstens er war in den Augen der Mörder etwas wert gewesen.
Sie behielt den südlichen Wachposten im Blick. Es erschien ihr viel zu viel Zeit zu vergehen. Wo blieb Magor?
Plötzlich kippte der Mann, ohne einen Laut von sich zu geben, aus seiner sitzenden Stellung nach hinten.
Ein guter Schuss.
Lothiel drehte sich dem Bewacher Rochons zu, nahm den Bogen in Anschlag, zielte kurz und ließ die Sehne los. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie es den Mann, begleitet von einem dumpfen Geräusch, von seinem Platz fegte, aber sie hatte bereits den zweiten Pfeil auf der Sehne und zielte auf den nördlichen Posten. Er musste etwas gehört haben, denn er war im Begriff aufzustehen, als ihn Lothiels Pfeil an den Stamm des Baumes nagelte, vor dem er eben noch gesessen hatte. Lothiel sah sich um. Magor war nicht zu sehen, doch ein Schmerzenslaut verriet ihr, dass er bereits ein neues Opfer gefunden hatte. Lothiel nahm sich das rechte Feuer vor. Ruhig legte sie einen Pfeil nach dem anderen ein. Sie hatte bereits drei der
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