Das Lächeln der Kriegerin
haben sich vermehrt, seit wir uns das erste Mal begegneten. Das Schlimmste hat dich getroffen und tiefe Spuren hinterlassen. Als ich dich damals sah, wusste ich, dass Trauer und Schmerz gleichermaßen ein kindliches Gemüt, ein gerechtes Herz und einen starken Willen umhüllen. Nun ist ein großer Teil der Trauer dem Hass gewichen und der bedient sich nur deines Willens.«
Es war, als spüre Lothiel einen Stich im Herzen, als sie sich selbst antworten hörte. »Eben noch sah ich einen großen Führer. Jetzt seid Ihr wieder der alte Mann aus dem Turm beim Palast. Doch ich bin nicht mehr das kleine Mädchen, das auf Eurem Schemel hockte und andächtig Euren Rätseln lauschte. Als Redner auf dem Fuhrwerk habt Ihr mir besser gefallen, wenngleich ich nicht sicher bin, ob Ihr selbst an die Hoffnung glaubt, die Ihr den Männern gepredigt habt.«
Istyar nickte. »Ja, ich habe gepredigt. Und ich habe den Männern Mut für die Schlacht gegeben. Eine Rolle, die mich nicht sehr erfreut. Doch es gibt eine Hoffnung, wenn sie auch bedeutend kleiner ist, als es manch einer der Krieger nun glauben mag.«
»Wie steht es mit Naurhir und seiner Macht?«
»Was genau willst du über ihn wissen?«
»Ob man ihn töten kann.«
»Vor einem halben Jahrtausend hat man es versucht und es wäre fast gelungen. Aradan, zu dieser Zeit nannte man ihn Taratan, trug damals Cu Valava. Er schickte dessen Pfeil direkt in Naurhirs Herz, das die Quelle seines Lebensfeuers war. Der Getroffene floh, zum Sterben verdammt, doch er beschwor einen Dämon des Feuers. So rettete er nicht sein Herz, aber die Glut seiner Flamme, denn der Dämon verblendete ihn. Diese Glut gilt es zu löschen, doch keine der in unseren Tagen hergestellten Waffen vermag bis zu ihr zu dringen.«
»Aber Leithian ist ein Bogen aus der alten Zeit.«
»Er ist jünger als der Bogen, den Araniel mit sich trägt, doch er wurde vor fünfhundert Jahren aus dem Holz desselben Baumes von den Händen desselben Meisters gefertigt. Seine Bestimmung sollte es sein, Beleg im Kampf gegen Naurhir beizustehen, denn des Schrecklichen Feuer nährt sich nun aus zwei Quellen.«
»Woher weiß ich, wohin ich zielen muss?«
»Du wirst es sehen, wenn du Narturo – denn so lautet sein eigentlicher Name – gegenüberstehst. Also verschwende Leithians Pfeile nicht!«
Lothiel schwieg. Istyar betrachtete sie nachdenklich.
»Hast du noch eine Frage?« Sein Blick schien in ihren Augen versinken zu wollen.
Lothiel senkte die Lider. »Muss ich noch etwas wissen?«
»Nur das, was du zu wissen begehrst.«
»Dann bin ich vorbereitet.«
»Gut«, antwortete Istyar und setzte nach einiger Überlegung hinzu: »Willst du mich zu meinem Pferd begleiten?«
»Wenn ich Euch damit einen Gefallen tue.«
Als der alte Mann aufgesessen war, wollte Lothiel sich schon verabschieden, doch dann fiel ihr etwas ein.
»Warum habt Ihr mich als Trägerin für Leithian gewählt?«
Istyar zeigte sich nicht überrascht über die Frage. Er lächelte zufrieden. »Beleg und Leithian waren mächtige Waffen, als ihr Meister sie erschaffen hat. Heute findet man nicht eine, die ihnen gleicht. Doch ihre Macht speist sich aus den Stärken ihrer Träger. In Araniels Geschlecht sind diese Stärken seit jeher besonders ausgeprägt, aber die Königin lebt allein und hat keine Nachkommen. Glücklicherweise sind nicht nur Königen solche Eigenschaften vorbehalten. Ich glaubte sofort an dich, als du in meinen Turm kamst. Und auch du solltest an dich glauben und dich deiner Stärken besinnen.«
Lothiel spürte, dass mehr hinter den Worten steckte, als sie zu fassen vermochte, mehr auch, als sie hören wollte. Daher schwieg sie. Istyar hob die Hand zum Gruß und ritt davon.
Lothiel schlief bei der Barrikade, bis Magor sie weckte. Sie war sofort hellwach, obwohl gerade erst der Morgen graute, denn sie hörte den langgezogenen Ton vieler Hörner.
»Die Königin lässt zum Angriff blasen«, sagte Magor. »Sieh dort! Und dort!«
Lothiel sah ein Leuchten von Süden heraufkommen. Sie schaute in die zweite Richtung, in die Magor gedeutet hatte, und sah ein ähnliches Leuchten von Norden. Dann bemerkte sie, dass es viele kleine Feuer waren, die auf das Lager der Fremdländer zueilten. Brandpfeile, die nun durch unzählige Schützen von den Rücken ihrer Pferde abgeschossen wurden und sich von beiden Seiten auf das Feindeslager stürzten. Im selben Moment erklang ein weiteres Signal und gleich darauf donnerte die Erde unter tausenden Hufen, als
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