Das Laecheln der Sterne
sie denken, Paul habe sich an ihre Mutter herangemacht. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich ihnen überhaupt je davon erzählen werde.«
Amanda nickte. Dann fragte sie: »Und warum erzählst du es mir?«
»Weil ich glaube, dass du es wissen solltest.«
Gedankenverloren drehte sich Amanda eine Haarsträhne um den Finger. Adrienne fragte sich, ob die Angewohnheit vererbt war oder ob Amanda sie sich bei ihr abgeguckt hatte.
»Mom?«
»Ja?«
»Warum hast du uns nie von Paul erzählt? Ich meine, du hast ihn nie erwähnt oder so.«
»Das ging nicht.«
»Warum nicht?«
Adrienne lehnte sich zurück und atmete tief ein. »Anfangs hatte ich wohl irgendwie Angst, dass es vielleicht nicht wirklich war. Ich wusste, dass wir uns liebten, aber die Entfernung bewirkt manchmal seltsame Dinge, und bevor ich euch davon erzählte, wollte ich sicher sein, dass es von Dauer war. Und später, als ich Briefe von ihm bekam und wusste, dass ich das alles nicht nur geträumt hatte ... ich weiß auch nicht ... es war noch so lange hin, bevor ihr ihn hättet kennen lernen können, und ich wusste nicht recht ...«
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Sie brach ab und wählte die nächsten Worte sehr sorgfältig.
»Du musst auch bedenken, dass du damals nicht der Mensch warst, der du heute bist. Du warst siebzehn, Dan erst fünfzehn, und ich wusste nicht, ob ihr dazu bereit wart, so etwas aufzunehmen. Ich meine, wie hättest du reagiert, wenn ihr von eurem Vater zurückgekommen wärt und ich euch erzählt hätte, ich hätte mich in jemanden verliebt, den ich gerade erst kennen gelernt hatte?«
»Wir hätten damit umgehen können.«
Adrienne war sich da nicht so sicher, aber sie widersprach Amanda nicht, sondern zuckte mit den Schultern. »Wer weiß?
Vielleicht hast du Recht. Vielleicht hättet ihr damit umgehen können, aber damals wollte ich das nicht riskieren. Und wenn ich noch einmal in dieser Situation wäre, würde ich wieder so entscheiden.«
Amanda veränderte ihre Sitzhaltung. Dann sah sie ihre Mutter an. »Bist du sicher, dass er dich geliebt hat?«, fragte sie.
»Ja«, sagte Adrienne.
In dem schwindenden Licht nahmen Amandas Augen eine blaugrüne Tönung an. Sie lächelte mitleidig.
Adrienne wusste genau, wie Amandas nächste Frage lauten würde. Es war die einzig logische Frage.
Amanda beugte sich mit bekümmerter Miene vor.
»Und wo ist er jetzt?«
In den vierzehn Jahren seit ihrer Begegnung mit Paul das erste Mal gleich im Juni desselben Jahres. Damals war der Sand unglaublich weiß, und das Meer verschmolz am Horizont mit dem Himmel. Dennoch kehrte Adrienne die folgenden Male nur noch im Winter zurück, wenn die Welt grau und kalt war, weil sie dann eine eindringlichere Erinnerung an das Vergangene hatte.
Am Morgen von Pauls Abreise war Adrienne durch das Haus gewandert; es war ihr unmöglich, sich länger in einem 152
Zimmer aufzuhalten. Nur wenn sie sich bewegte, konnte sie die Beherrschung über ihre Gefühle bewahren. Am späten Nachmittag, als der Sonnenuntergang den Himmel mit blassen Tönen von Rot und Orange überzog, war sie hinausgegangen und hatte in diesen Farben das Flugzeug auszumachen versucht, in dem Paul saß. Dass sie es sehen würde, war ziemlich unwahrscheinlich, aber sie blieb dennoch draußen, bis die Abendluft kälter wurde und sie zu frieren begann.
Zwischen den Wolken sah sie hin und wieder einen Kondensstreifen, aber die Logik sagte ihr, dass sie von den Flugzeugen der Marinebasis in Norfolk stammten. Als sie ins Haus ging, waren ihre Hände taub vor Kälte und fingen an zu prickeln, als sie sie am Spülbecken unter warmes Wasser hielt.
Sie wusste nur zu gut, dass Paul fort war, dennoch deckte sie den Tisch für zwei Personen.
Ein Teil von ihr hoffte, dass er zurückkommen würde.
Während sie aß, stellte sie sich vor, wie er zur Tür hereinkommen würde. Er würde seine Seesäcke absetzen und ihr erklären, dass er erst abreisen könne, wenn er noch eine Nacht mit ihr verbracht habe. Am nächsten Tag oder am Tag darauf würden sie dann gemeinsam in Richtung Norden fahren, bis Adrienne nach Rocky Mount abbiegen müsste.
Aber Paul kam nicht. Die Haustür ging nicht auf, und das Telefon klingelte nicht. So sehr sich Adrienne auch gewünscht hatte, dass er bleiben möge, so wusste sie doch, dass sie recht daran getan hatte, ihn in seinem Entschluss abzureisen zu bestärken. Ein weiterer gemeinsamer Tag würde den Abschied nicht erleichtern, eine weitere gemeinsame Nacht würde nur bedeuten, dass sie sich aufs
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