Das Laecheln der Sterne
sonst besaß.
Obwohl ihre Tochter bei ihr war, fühlte Adrienne sich allein.
Und sie würde für immer allein sein. Das hatte sie gewusst, als sie Amanda in der Küche ihre Geschichte erzählte, und sie wusste es jetzt, da sie hier am Fenster stand. Manchmal fragte sie sich, was aus ihr geworden wäre, wenn Paul nicht in ihr Leben getreten wäre. Ob sie wohl jemals wieder geheiratet hätte?
Es wäre nicht leicht gewesen. Einige ihrer Freundinnen, die verwitwet oder geschieden waren, hatten wieder geheiratet, 168
und die meisten dieser Ehemänner schienen auch ganz nett zu sein, aber sie waren nicht wie Paul. Adrienne glaubte, dass man sich in jedem Alter leidenschaftlich verlieben konnte, aber sie hatte sich oft genug mit ihren Freundinnen unterhalten, um zu wissen, dass die meisten Beziehungen am Schluss nur zu Ärger und Unzufriedenheit führten. Adrienne wollte sich nicht mit einem Ehemann zufrieden geben, der so war wie die Männer ihrer Freundinnen, nicht, wenn Pauls Briefe ihr klar vor Augen hielten, was auch möglich gewesen wäre. Hätte ein neuer Ehemann ihr je die Worte zugeflüstert, die Paul in seinem dritten Brief an sie geschrieben hatte? Worte, die sie gleich an dem Tag, als sie sie las, auswendig gelernt hatte?
Wenn ich schlafe, träume ich von dir, und wenn ich wach bin, sehne ich mich danach, dich in meinen Armen zu halten.
Von dir getrennt zu sein, hat mich in der Gewissheit bestärkt, dass ich meine Nächte an deiner Seite verbringen möchte und meine Tage in deinem Herzen.
Oder die Worte, die in seinem nächsten Brief standen?
Wenn ich an dich schreibe, spüre ich deinen Atem, und wenn du meine Briefe liest, stelle ich mir vor, dass du meinen spürst.
Geht es dir ebenso? Diese Briefe sind nun Teil von uns, Teil unserer Geschichte, eine ewige Erinnerung daran, dass wir diese Zeit überstanden haben. Dank dafür, dass du mir durch dieses Jahr geholfen hast, und Dank schon jetzt für all die Jahre, die vor uns liegen.
Oder auch die folgenden Worte, die er schrieb, nachdem er und Mark im Sommer eine Auseinandersetzung gehabt hatten und Paul sehr unglücklich darüber war.
Es gibt so vieles, was ich mir in diesen Tagen wünsche, aber 169
vor allem wünsche ich mir, dass du hier wärst. Seltsam, aber bevor wir uns begegneten, hätte ich nicht sagen können, wann ich das letzte Mal geweint habe. Heute kommen mir leicht die Tränen ... aber du hast eine Art, mir meinen Kummer erträglich zu machen und die Dinge so zu erklären, dass mein Schmerz leichter wird. Du bist ein Schatz, ein Geschenk, und wenn wir wieder zusammen sind, will ich dich immerfort in meinen Armen halten. Manchmal sind meine Gedanken an dich das Einzige, was mir durch den Tag hilft.
Adrienne hatte den Blick auf das ferne Gesicht des Mondes gerichtet und war sich der Antwort sicher. Nein, dachte sie, nie wieder würde sie einen Mann wie Paul kennen lernen. Und als sie den Kopf an die kühle Scheibe presste, spürte sie, dass Amanda hinter sie getreten war. Adrienne seufzte. Es war Zeit, das Begonnene zu Ende zu bringen.
»Er sollte zu Weihnachten kommen«, sagte Adrienne so leise, dass Amanda sich anstrengen musste, sie zu verstehen.
»Ich hatte alles vorbereitet. Ich hatte ein Hotelzimmer gebucht, damit wir in der ersten Nacht zusammen sein konnten. Ich hatte sogar eine Flasche Pinot Grigio gekauft.« Sie machte eine Pause. »Doch es kam anders. In dem Karton ist ein Brief von Mark, der alles erklärt.«
»Was ist denn geschehen?«
Nach einer Weile drehte Adrienne sich um. Ihr Gesicht lag halb im Schatten, und Amanda durchrieselte es plötzlich kalt.
Adrienne antwortete nicht gleich. Dann schwebten ihre Worte durch die Dunkelheit.
»Ahnst du das nicht?«, flüsterte sie.
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SIEBZEHN
D ieser Brief war, wie Amanda bemerkte, auf dem gleichen Papier geschrieben, das Paul für seinen ersten Brief benutzt hatte. Weil ihre Hände leicht zitterten, legte sie sie flach auf den Tisch.
Dann atmete sie tief ein und senkte den Blick.
Liebe Adrienne,
ich sitze hier und merke, dass ich nicht weiß, wie ich diesen Brief anfangen soll. Wir kennen uns ja gar nicht, denn mein Vater hat mir zwar von Ihnen erzählt, aber das ist nicht das Gleiche. Mir wäre es fast lieber, ich hätte persönlich zu Ihnen kommen können, aber wegen meiner Verletzungen darf ich noch nicht wieder reisen. Ich sitze also hier, ringe nach Worten und frage mich, ob das, was ich schreiben will, Ihnen überhaupt etwas bedeuten wird.
Ich hätte
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