Das Lächeln der Sterne
erzählte ihm, wie es ihr in letzter Zeit ergangen war. Nach und nach erkannte Jack, dass sie sich verändert hatte. Die Gespräche verliefen immer freundlicher, und im Laufe der Monate und Jahre riefen sie sich manchmal einfach an, um miteinander zu sprechen. Als Jacks Ehe mit Linda in die Brüche ging, verbrachten sie Stunden am Telefon, manchmal sprachen sie bis tief in die Nacht. Als Jack und Linda sich schließlich scheiden ließen, war Adrienne zur Stelle und half ihm durch die schwierige Zeit, sie gestattete ihm sogar, im Gästezimmer zu übernachten, wenn er die Kinder besuchte. Die Ironie des Schicksals wollte es, dass Linda ihn wegen eines anderen Mannes verlassen hatte, und Adrienne erinnerte sich gut, wie sie mit Jack im Wohnzimmer gesessen hatte. Er schwenkte seinen Scotch im Glas, Mitternacht war längst vorbei, und er hatte schon einige Stunden damit zugebracht, sich selbst zu bejammern, als es ihm plötzlich klar wurde, wer ihm da überhaupt zuhörte.
»War es für dich damals auch so schlimm?«, hatte er zögernd gefragt.
»Ja«, sagte Adrienne.
»Wie lange hast du gebraucht, um es zu verwinden?«
»Drei Jahre«, sagte sie, »aber ich hatte Glück.«
Jack nickte. Mit zusammengepressten Lippen starrte er in sein Glas.
»Es tut mir Leid«, sagte er. »Das war das Dümmste, was ich je gemacht habe – dass ich dich verlassen habe.«
Adrienne lächelte und tätschelte sein Knie. »Ich weiß. Aber vielen Dank.«
Ungefähr ein Jahr darauf lud Jack sie zum Essen ein. Aber wie bei all den anderen Männern auch lehnte Adrienne höflich ab.
Adrienne stand auf und nahm den Karton, den sie zu Beginn des Abends aus ihrem Schlafzimmer geholt hatte, von der Anrichte. Amanda verfolgte ihre Bewegungen mit gespannter Aufmerksamkeit. Adrienne lächelte und nahm Amandas Hand.
Amanda hatte im Laufe des Abends erkannt, so wurde Adrienne in dem Moment klar, dass sie längst nicht so viel über ihre Mutter wusste, wie sie geglaubt hatte. In gewisser Weise ist es eine Umkehrung der Rollen, dachte Adrienne, denn Amanda trug den gleichen Ausdruck in den Augen wie Adrienne, wenn die Kinder sich bei Familienfesten trafen und über Dinge unterhielten, die sie früher angestellt hatten. Erst vor wenigen Jahren hatte Adrienne erfahren, dass sich Matt als Junge manchmal aus dem Fenster seines Zimmers gestohlen und mit seinen Freunden getroffen hatte dass Amanda in der Highschool zu rauchen angefangen und es wieder aufgegeben hatte und dass Dan derjenige gewesen war, der das kleine Feuer in der Garage gelegt hatte, für das immer ein Kurzschluss als Ursache gegolten hatte. Bei solchen Gelegenheiten hatte Adrienne mit den Kindern gelacht und war sich gleichzeitig naiv vorgekommen – und jetzt stellte sie sich vor, dass sich Amanda in diesem Moment möglicherweise ganz ähnlich fühlte.
Die Uhr an der Wand tickte langsam und regelmäßig. Die Heizungspumpe schaltete sich mit einem lauten Klicken ein. Irgendwann seufzte Amanda.
»Das war ja allerhand«, sagte sie.
Amanda hielt ihr Weinglas in der Hand und ließ es kreisen.
Das Licht fing sich in der Flüssigkeit und brachte sie zum Funkeln.
»Wissen Matt und Dan davon? Ich meine, hast du ihnen die Geschichte auch erzählt?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Ich glaube nicht, dass sie davon wissen müssen.« Adrienne lächelte. »Außerdem bin ich mir nicht sicher, ob sie sie richtig verstehen würden. Zum einen sind sie Männer und haben in Bezug auf mich einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, und ich möchte nicht, dass sie denken, Paul habe sich an ihre Mutter herangemacht. Ehrlich gesagt weiß ich nicht, ob ich ihnen überhaupt je davon erzählen werde.«
Amanda nickte. Dann fragte sie: »Und warum erzählst du es mir?«
»Weil ich glaube, dass du es wissen solltest.« Gedankenverloren drehte sich Amanda eine Haarsträhne um den Finger. Adrienne fragte sich, ob die Angewohnheit vererbt war oder ob Amanda sie sich bei ihr abgeguckt hatte.
»Mom?«
»Ja?«
»Warum hast du uns nie von Paul erzählt? Ich meine, du hast ihn nie erwähnt oder so.«
»Das ging nicht.«
»Warum nicht?«
Adrienne lehnte sich zurück und atmete tief ein. »Anfangs hatte ich wohl irgendwie Angst, dass es vielleicht nicht wirklich war. Ich wusste, dass wir uns liebten, aber die Entfernung bewirkt manchmal seltsame Dinge, und bevor ich euch davon erzählte, wollte ich sicher sein, dass es von Dauer war. Und später, als ich Briefe von ihm bekam und wusste, dass ich das alles nicht nur
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