Das Lächeln der toten Augen
wäre ihm die darin befindliche Armbanduhr zu Boden gefallen. Er nahm die Uhr in die Hand und hob sie an sein Ohr. Sie funktionierte und zeigte sogar die richtige Zeit. Als er sie umdrehte, entdecke er die kleine Gravur auf dem Deckel. Für einen ganz besonderen Menschen, Angela, las er. Die Gravur war neu. Trevisan schluckte. Er hatte dem Jungen unrecht getan. Noch bis vor einer Minute hätte er felsenfest behauptet, dass Paulas nichtsnutziger Freund bei seinem Besuch die Uhr hatte mitgehen lassen. Nun schämte er sich dafür.
Trevisan erhob sich und ging die Treppen hinauf. Als er an Paulas Zimmertür klopfte, erhielt er keine Antwort. Er drückte die Türklinke herunter, doch der Raum war verschlossen. Trevisan klopfte noch einmal. Diesmal etwas lauter. Nichts rührte sich. Er rüttelte an der Tür.
»Was ist denn los?«, rief Paula laut.
»Was machst du, warum sagst du nichts?«, rief er durch die geschlossene Tür.
Sekunden später öffnete Paula. »Was soll denn das? Glaubst du, ich habe hier jemand versteckt?«
Trevisan schluckte. »Ich dachte schon …«
»Was?«
Trevisan atmete tief ein. »Nichts«, antwortete er. »Die Uhr. Ich habe nach ihr gesucht. Wo war sie denn?« Trevisan präsentierte sein Handgelenk.
»Angela wollte, dass ich sie gravieren lasse«, antwortete Paula. »Und jetzt lass mich in Ruhe.«
»Paula, komm, lass …«
Noch bevor Trevisan seinen Satz beendet hatte, warf sie die Tür wieder zu. Er griff nach der Türklinke und zögerte.
Wortlos wandte er sich um und ging zurück in die Küche.
*
Es war gerade mal halb acht, als Trevisan seinen Wagen vor dem Dienstgebäude parkte. Der Blick in den Himmel versprach einen schönen und warmen Tag. Das Sturmtief war in der Nacht vorübergezogen. Für den heutigen Tag hatte er sich viel vorgenommen. Vielleicht würde es ihm gelingen, etwas Licht in das Dunkel des Landers-Falles zu bringen. Bislang war Simon Halbermann noch immer nicht wieder nach Deutschland zurückgekehrt, sonst hätten ihn die Männer von der Fahndung, die mittlerweile das Haus beobachteten, längst informiert. Außerdem bereitete ihm der Flugzeugabsturz Kopfzerbrechen. Er betrat das Dienstgebäude und ging den Flur entlang. Alex Uhlenbruch saß bei offener Tür hinter seinem Schreibtisch und kaute an einem Käsebrötchen.
»Moin, Alex. Ich hoffe, du konntest die Sache mit deiner Schwester in Ordnung bringen.«
»Es wird nicht leicht, aber sie werden es schaffen«, antwortete Alex. »Ich hoffe es zumindest. Aber was gibt es denn so Wichtiges, dass du mich aus der Freischicht holst?«
Trevisan berichtete von dem Flugzeugabsturz.
»Treffpunkt ist Wangerooge?«
»Von dort aus wird die Suchaktion koordiniert«, erklärte Trevisan. »Die Marine unterstützt die Aktion, aber wir sind nun mal zuständig für die polizeilichen Maßnahmen bei Flugunfällen.«
»Dann soll ich also die polizeiliche Einsatzleitung dort übernehmen? Alleine ist das aber sehr schwierig.«
Trevisan überlegte. »Wenn es notwendig ist, nimm Tina zur Unterstützung mit. Die Notizen liegen auf meinem Schreibtisch. Ich habe keine Zeit mehr, ich will in einer halben Stunde noch einmal mit Halbermanns Haushälterin reden.«
Trevisan setzte seinen Weg fort. Monika Sander war bereits aufgebrochen, um beim Ausländeramt Erkundigungen über Maria Souza da Marques einzuziehen. Auch Till hatte sich einen Dienstwagen genommen und war schon gestartet, um neue Details über den seltsamen Kulturverein in Erfahrung zu bringen, in dem Halbermann Mitglied war.
Nur Dietmar Petermann saß noch in seinem Büro und nahm ebenfalls ein karges Frühstück zu sich. Er winkte Trevisan heran und bot ihm ein Brötchen an. Im ganzen Raum roch es nach Minze. »Ich habe einen Tee gekocht. Wenn du willst …?«
Trevisan lehnte dankend ab. »Ich will noch einmal mit Halbermanns Haushälterin sprechen. Vielleicht lässt sich noch etwas über Halbermann und das Mädchen herausfinden.«
Dietmar Petermann biss in das Brötchen. »Ich habe um neun einen Termin beim Finanzamt. Mal sehen, was die dort über Halbermann wissen.«
Trevisan stutzte. »Hast du einen Beschluss?«
Lächelnd schüttelte Dietmar den Kopf.
»Aber wie willst du dann … Es gibt ein Steuergeheimnis.«
Dietmar stellte seine Teetasse zurück auf den Tisch. Verschwörerisch beugte er sich vor. »Es gibt viele Geheimnisse auf der Welt, aber trotzdem bleibt nichts wirklich im Verborgenen.«
*
Trevisan hatte seinen Wagen im Parkverbot abgestellt. In der ganzen
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