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Das Lächeln der toten Augen

Titel: Das Lächeln der toten Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Bremer Straße war kein einziger freier Parkplatz zu finden. Als er auf das graue Mehrfamilienhaus zuging, schaute er gewohnheitsmäßig auf die Uhr. Kurz nach neun zeigte seine neue Armbanduhr an. Vor dem Eingang suchte er nach der Klingel von Frau Jonas. Acht Familien wohnten in dem grauen Haus mit den neuen Kunststofffenstern. Trotz der unpersönlichen Gegend, mitten in der Stadt, erschien dieses Haus gepflegt. Frau Jonas wohnte im dritten Stock.
    Trevisan klingelte und musste nicht lange warten, bis sich die alte Frau über die Sprechanlage meldete und ihn einließ.
    Trevisans erster Eindruck bestätigte sich. Auch das Treppenhaus war blank geputzt und wohl erst vor kurzem renoviert worden. Vor den Wohnungen standen kleine Schränkchen und hier und da ein Blumengebinde oder ein Topf mit einer Pflanze. Vor der Wohnung von Frau Jonas war es ein Gummibaum.
    Frau Jonas hatte die Tür einen Spalt geöffnet und erwartete ihn. Obwohl ihre Haare frisch gewaschen waren und einen blumigen Duft verströmten, wirkte sie müde und übernächtigt.
    Sie führte Trevisan in die kleine Küche und bot ihm einen Kaffee an. Trevisan nickte dankbar und blickte sich um. Eine Einbauküche mit hölzerner Oberfläche fügte sich in eine breite Nische. Auf dem runden Tisch mit drei Stühlen stand eine Vase mit frischen Sommerblumen. Klatschmohn gehörte dazu. Eine Blume, die in Trevisan ein behagliches Gefühl auslöste. Mehrere kleine Bilder an der Wand zeigten Winterlandschaften. Allesamt wohl Fotografien aus einem Kalender oder großformatige Postkarten.
    »Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan«, sagte Frau Jonas und stellte eine dampfende Tasse vor Trevisan auf den Tisch. Schnell schob sie Milch und Zucker dazu, ehe sie sich ebenfalls setzte. »Wenn ich nur an gestern denke, dann läuft es mir noch eiskalt über den Rücken. Egal wie die Sache ausgeht, ich werde auf alle Fälle kündigen. Für kein Geld der Welt gehe ich in dieses Haus zurück.«
    Trevisan hörte interessiert zu und schüttete einen kleinen Schuss Milch in seinen Kaffee. »Vielleicht sind Ihnen in der Nacht noch ein paar Details eingefallen, die uns weiterhelfen können. Ich hätte noch ein paar Fragen …«
    »Fragen Sie ruhig. Was ich weiß, werde ich sagen.«
    »Mir geht es vor allem um das Mädchen. Wir müssen herausfinden, wo sie geblieben ist. Vielleicht ist Ihnen noch etwas eingefallen?«
    Die Frau überlegte. »Maria war ein Engel. Sie war stets freundlich zu mir und hat mir geholfen, wo es nur ging.«
    »Wie stand Halbermann zu ihr?«
    »Halbermann? Halbermann ist ein kalter Mensch. Verstehen Sie, er ist immer korrekt, aber Herzlichkeit und Humor sind ihm fremd. Er regiert. Auch Maria empfand es so. Sie wollte anfangs sogar wieder zurück nach Hause. Ich glaube, wären Frau Halbermann und Sven nicht gewesen, dann hätte sie auch niemand zurückhalten können.«
    Trevisan nippte an seinem Kaffee. Offenbar war die Zuneigung für Simon Halbermann nicht besonders groß, doch wenn sie von Elisabeth Halbermann, Sven und Maria sprach, dann schwang so etwas wie Wärme und Verbundenheit in ihrer Stimme. »Haben Sie eigentlich viel mit Frau Halbermann gesprochen?«
    Frau Jonas lächelte bitter. »Wir verstanden uns gut. Aber der Kontakt ließ schnell nach. Ich bin aber überzeugt davon, dass es nicht an ihr lag. Er war dafür verantwortlich. Wissen Sie, ich bin für ihn Personal. Nicht mehr und nicht weniger. Ich halte das Haus und das Grundstück sauber. Er bestand auf diesen Abstand. Schließlich ist er etwas Besseres. Er macht auch nie einen Hehl daraus.«
    Frau Jonas erhob sich und nahm ein Bild von der Wand. Es zeigte eine verschneite Winterlandschaft am Meer.
    »Diese Karte hat mir Frau Halbermann aus Dänemark geschickt«, erklärte Frau Jonas. »Zu Weihnachten vor drei Jahren. Es blieb die einzige Karte, die ich jemals von ihr erhalten habe. Ich weiß nicht, warum. Es gab aber deswegen ein großes Theater.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Als die Halbermanns wieder aus Dänemark zurückkamen, bedankte ich mich bei ihr für den freundlichen Gruß. Als Simon Halbermann das mitbekam, gab es deswegen einen Riesenkrach. Er fragte mich ein paar Tage später, ob ich die Karte noch hätte. Aber ich sagte ihm, ich hätte sie weggeworfen.«
    »Kann ich die Karte einmal lesen?«
    Wortlos öffnete Frau Jonas den Rahmen und reichte sie Trevisan. Interessiert studierte Trevisan die Fotografie. Es war nicht viel mehr darauf zu erkennen als eine verschneite

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