Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
Kerl nie klargekommen. War immer ein eigenartiges Kind. Hat die Ferien immer bei seinen Großeltern verbracht. In Ludlow.»
Er sah Merrily an, und sie bemerkte erste Wellen im Wasser, etwas kam nach oben.
Mumford sagte: «Der Sohn meiner Schwester, mein Neffe – Robson Walsh.»
Der Name durchbrach die Oberfläche.
Robson Walsh
.
«Sie kümmern sich doch immer noch um … die seltsamen Dinge, Mrs. Watkins?» Er wirkte beunruhigt.
«Wenn es welche gibt.»
Sie setzte sich ihm gegenüber. Polizisten waren nicht gerade die religiöseste Berufsgruppe. Sie sahen zu viel Ungerechtigkeit, zu viel Schlechtes, wenige Zeichen göttlichen Lichts. Selbst Frannie Bliss, der als Katholik erzogen worden war, hatte einmal gesagt, falls er es in den Himmel schaffte, würde er sich nicht wundern, einen Typen mit Dreizack und gegabeltem Schwanz zu sehen, der auf einer Wolke saß und sich kaputtlachte.
Worum immer es hier auch ging, es musste hart sein für Mumford.
Robson Walsh. Robbie Walsh, Robbie Walsh …
«Oh Gott, Andy.» Fernsehbilder: alte Mauern, Absperrband. Ein Schulfoto. «Der Junge, der vom Turm gefallen ist –»
«Ja. Ich war da.»
«Im Schloss in Ludlow?»
«In der Stadt. Wollte meine Frau abholen – sie arbeitet im Krankenhaus von Ludlow. Wir wollten abends essen gehen, feiern, dass ich … feiern …» Er sah auf den Tisch. «Ein Polizist hat mich auf der Straße erkannt und mich ins Schloss gebracht. Da lag der Junge noch, sie haben auf den Pathologen gewartet.»
«Oh Gott, das tut mir so leid, Andy. Sie sagen, es war der Sohn Ihrer Schwester?»
«Ist ’ne Schlampe.»
«Oh.»
«Lebt mit diesem neuen Kerl in Hereford. War total froh, dass der Junge die Ferien bei seiner Großmutter verbracht hat. Und jetzt gibt sie mir die Schuld.»
«Ihre Schwester? Warum?»
«Weil wir verschleiert haben, wie es um meine Mutter stand. Robbie und ich. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass er nicht mehr dort sein dürfte. Er liebte es, dort zu sein, in Ludlow.»
«Sie und er haben verschleiert, dass Ihre Mutter …»
Es klopfte an der Vordertür, deren Klingel mal wieder schlappgemacht hatte. Merrily rührte sich nicht.
«Warum soll man der Krankheit irgendeinen langen Namen geben?», sagte Mumford. «Es geht einfach mit ihrem Geist bergab.»
«Aber wusste Ihre Schwester das nicht?»
«Sie haben nicht miteinander geredet. Nicht, seit sie mit diesem Mistkerl zusammen war. Normalerweise hab ich den Jungen nach Ludlow gebracht. Scheiße, Mann. Es ging ihm gut da. Besser als zu Hause im verdammten Plascarreg, immer mit einem Schlüssel um den Hals.»
«Ihre Schwester lebt im Plascarreg?»
Nicht gerade Herefords erste Adresse.
«Er war fähig und intelligent», sagte Mumford. «Wenn ich einen Sohn hätte – ich würd mich nicht beklagen, wenn ich so einen bekäme. Na ja, Gail arbeitet jedenfalls drei Tage die Woche im Krankenhaus von Ludlow, und sie geht immer mal bei ihnen vorbei.»
«Was ist mit Ihrem Vater?»
«Nicht gerade der mitfühlendste Mann. Erzählt einem, wie viele Tote er in seiner Zeit gesehen hat und dass man das hinter sich lassen muss. Und meine Mutter lebt in ihren Erinnerungen, oder jedenfalls dem, was davon übrig ist.» Mumford blickte zur Tür – es klopfte wieder. «Vielleicht gehen Sie besser mal nachsehen.»
«Ist schon okay.»
Sicher der Briefträger mit einem Päckchen. Er konnte es auf die Stufe legen.
Robbie Walsh. Sie erinnerte sich, dass in der Zeitung ein paar Fragen aufgeworfen worden waren. Wie hatte er es geschafft, sich im Schloss zu verstecken? War er allein gewesen?
«Und die polizeiliche Untersuchung …»
«Es deutet alles auf einen Unfall hin. Die Ermittlungen sind eingestellt worden. Sie haben den Jungen in Hereford eingeäschert. Die beliebteste Theorie ist, dass er völlig vertieft war in was immer er da gemacht hat, aus Versehen eingeschlossen wurde und dann auf den Turm gestiegen ist, um zu versuchen, Hilfe zu rufen. Vielleicht hat er sich zu weit vorgelehnt.»
«Ist das plausibel?»
«Möglich ist es. Nur hätte ein Kind wie er einen Weg gefunden, da rauszukommen. Aber … wenn es nichts gibt, das offensichtlich gegen die Theorie spricht, ermittelt die Polizei nicht weiter. Haben ja auch nicht genug Leute. Ein Unglück ist am wahrscheinlichsten.»
«Und was glauben Sie?»
«Ich denke, es hätte auf unbekannte Todesursache erkannt werden sollen. Vielleicht sag ich das nur, weil es das zerstört hat, was von meiner Familie noch übrig war,
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