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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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aber es gibt wohl Dinge, von denen wir nichts wissen. Und meine Mom … das wird über ihr hängen, solange … solange sie noch hat.»
    Es klopfte wieder an der Tür, energischer dieses Mal.
    «In mehr als einer Hinsicht offenbar», sagte Mumford.
    «Bitte?»
    «Über ihr hängen. Deshalb bin ich gekommen. Aber Sie schauen jetzt doch besser mal nach, das wird wohl nicht aufhören.»
    Merrily ging an die Tür.
    Genau das brauchte sie jetzt.
    «Tut mir leid, wenn ich Sie aus dem Bad geholt hab oder so, Merrily.»
    Nigel Saltash lächelte sein Allzwecklächeln.

4  Pfarramts-Routine
    Bei seinen Kursen in der nicht mehr genutzten Kapelle in den Beacons hatte Huw Owen für die Ruhelosen gern Kosenamen erfunden.
    Der Schlaflose, der Anhalter, der Atmer, der Grapscher …
    Exorzistenjargon, ein bisschen schwarzer Humor für die Gruppe.
    Merrily holte noch einen Becher, goss dreimal Tee ein und setzte sich ans Kopfende des Tisches, mit dem Rücken zum Fenster.
    Huw hätte das Problem von Mumfords Mutter «scheidenden Besucher» genannt oder «Tagesausflügler». Hilfsbegriffe für ein verbreitetes Phänomen – nahestehende Verstorbene kamen kurz vorbei, um sich zu zeigen, einen wissen zu lassen, dass sie nicht weit weg waren. Meistens blieben sie nicht lang. Merrily erinnerte sich, dass Huw gesagt hatte, neun von zehn Fällen fielen nicht in seinen Aufgabenbereich.
    «Der Fachbegriff heißt ‹Trauer-Erscheinung›», sagte sie zu Mumford. «Wenn das mal jemand untersuchen würde, fände er höchstwahrscheinlich heraus, dass mindestens fünfzig Prozent der Hinterbliebenen solche Erscheinungen haben.»
    Für gewöhnlich waren es Witwer oder Witwen, oder die Kinder oder Geschwister von jemandem, der kürzlich verstorben war. Aber es konnte genauso gut ein Lieblingslehrer sein oder ein langjähriger Arbeitskollege. Man tat gerade irgendetwas Alltägliches und hatte plötzlich das deutliche Gefühl, dass jemand anwesend war, der gestorben war. Oder man sah sie durch den Flur gehen oder in ihrem Lieblingssessel sitzen. Nur für einen Augenblick, dann waren sie verschwunden.
    «Wir sagen immer, Andrew», sagte Nigel Saltash, «dass das bei einem Verstorbenen, den man regelmäßig um sich hatte, sogar sehr wahrscheinlich passiert. Ich habe das schon viele, viele Male gehört.»
    Er trug einen Trainingsanzug in der Farbe seiner Haare, und seine gebräunte Haut glänzte. Zuvor an der Haustür hatte er Merrily lächelnd gesagt, er fände, sie sollten einmal unter vier Augen miteinander sprechen. Er wollte nicht, dass sie nach gestern Abend falsche Vorstellungen entwickelte. Und da er freitagmorgens immer mit Kent Asprey joggte, dem Fitnessfreak und Hausarzt von Ledwardine … Ja, sie waren alte Freunde.
    Na, großartig.
    Sie hatte ihn also hereinbitten und Mumford von dem neuen Beirat für spirituelle Grenzfragen erzählen müssen – was für Mumford die Gelegenheit gewesen wäre, nichts zu sagen, sich eine Ausrede einfallen zu lassen und zu gehen.
    Aber natürlich hatte sich herausgestellt, dass er und Saltash sich von früher kannten, als Saltash in der psychiatrischen Abteilung der Stonebow-Klinik in Hereford gearbeitet hatte. Das waren noch Zeiten, was? Und jetzt waren sie beide im Ruhestand oder traten jedenfalls in eine neue Lebensphase ein.
    Saltash beobachtete mit verzerrtem Lächeln, wie Mumford drei Stücke weißen Zucker in seinem Becher versenkte.
    «Im Wesentlichen haben Sie es da mit einer Projektion zu tun, Andrew. Der Hinterbliebene trägt ein Bild des Verstorbenen tief in seinem Herzen. Wir wollen uns nicht für immer von ihm verabschieden. Ein Teil von uns wünscht sich verzweifelt, er wäre noch da – da, wo er immer war. Und auf dieses Bedürfnis reagiert ein Bereich unseres Bewusstseins. Das ist mit ziemlicher Sicherheit das, was Ihrer Mutter passiert, wenn sie Visionen von dem Jungen hat. Würden Sie mir da zustimmen, Merrily?»
    Der schräggelegte Kopf. Dieses Lächeln, so ein gutgeöltes Hilfsmittel bei seinen Erklärungen.
    Aber er hatte vermutlich recht. Huw Owen hatte immer dazu geraten, die scheidenden Besucher in Ruhe zu lassen. Es spielte keine Rolle, ob sie Halluzinationen waren oder psychologische Projektionen oder etwas, das sich weniger gut erklären ließ – sie brachten normalerweise Trost, nicht Angst oder Verzweiflung, also waren sie Teil des Heilungsvorgangs, Teil einer Phase, die vorübergehen würde. Und wenn es mit Mrs. Mumfords Geist bergab ging …
    «Darf ich …» Merrily

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