Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
zuckerte betont langsam ihren Tee und rührte klappernd um. «Darf ich noch mal kurz zusammenfassen, Andy? Ihre Mutter sagt, sie … hat ihn zuerst in der Küche gesehen, richtig?»
Mumford nickte. «Aus dem Augenwinkel. Sie sagt, er hätte neben dem Kühlschrank gestanden, als wollte er sich was zu trinken nehmen. Als sie sich ihm zugewandt hat, ist er … verschwunden. Das war vor der Beerdigung.»
Nigel Saltash nickte eifrig. Merrily fragte sich verzagt, ob er jetzt jede Woche nach dem Joggen mit Dr. Asprey vorbeikäme, um sich darüber zu unterhalten, wo sich sogenannte spirituelle Beratung und praxisbezogene Psychiatrie überschnitten.
«Und beim zweiten Mal?», fragte sie Mumford.
«Im Garten. Da stand Robbie bei der Vogeltränke und sah zum Haus hoch. Mom war im Schlafzimmer und hat ihn durch das Fenster gesehen. Aber es war … es war wie eine Spiegelung in der Scheibe. Als sie einen Schritt zurückgetreten ist, war er nicht mehr da.»
«Eine Reflexion», sagte Saltash. «Natürlich.»
«In der Stadt war es dasselbe», murmelte Mumford, als wollte er es hinter sich bringen. «Im Schaufenster.»
«Wirklich? Noch eine Reflexion?»
«So was in der Art. Sie war mit meinem Dad zusammen, und er hat nichts gesehen. Sie hat im Schaufenster gesehen, dass Robbie hinter ihr steht, aber als sie sich umgedreht hat …»
Merrily sagte: «Dachte sie, er wusste, dass sie da ist?»
«Ich … weiß es nicht.»
«Ich meine, hat sie das Gefühl, dass er ihr etwas sagen will?»
Mumford schüttelte den Kopf. «Weiß ich nicht.»
«Macht es ihr Angst?»
«Angst?» Mumfords Mundwinkel zuckte. «Robbie?»
«Genau.»
«Ich sehe, worauf Sie hinauswollen, Merrily», sagte Nigel Saltash. «Hier spielen offensichtlich auch Schuldgefühle eine Rolle – ob sie nun zu Recht bestehen oder nicht. Und außerdem …» – er lehnte sich über den Tisch und hielt seine Hände hoch wie zwei Buchstützen – «… ein verzweifeltes Bedürfnis, genau zu wissen, was passiert ist.»
«Weiß sie, dass Sie zu mir kommen wollten, Andy?», fragte Merrily.
«Ich …» Mumford schüttelte den Kopf. «Es ist ihr nicht recht, wenn Aufhebens gemacht wird. Hat sie schon ganz verlegen gemacht, wie viele Leute zu der Beerdigung gekommen sind – Leute vom Schloss, vom Stadtrat, von der Presse. Kam ihr vor, als würden die zu Gericht sitzen. Aber … es ist eben ein kleiner Ort. Da nehmen sich die Leute so was zu Herzen. Der Bischof hat darauf bestanden, die Beerdigung selbst abzuhalten –»
«David Cook?»
Der Suffraganbischof von Ludlow. Nummer zwei in der Diözese Hereford. Den Posten hatte vorher Bernie Dunmore innegehabt, jetzt Bischof von Hereford. Aber David Cook konnte doch nicht –
«… obwohl er eine Woche später ins Krankenhaus musste, um sich einen Bypass legen zu lassen», sagte Mumford. «Dem Mann ging es nicht gut, das hat man ihm angesehen.»
Mumford sah auch nicht aus, als ginge es ihm gut. Er musste ungefähr zwanzig Jahre jünger sein als Nigel Saltash, wirkte aber älter.
Mumford stand auf. «Es wird wohl so sein, wie Sie sagen, Mrs. Watkins: Die Phantasie spielt ihr einen Streich.»
«Na ja, das war nicht ganz das, was ich –»
«Das alte Mädchen hat einen Schock erlitten. Aber sie will kein Aufhebens, und ich will auch keins. Ich dachte nur, so wie ich Sie kenne … Sie haben jedenfalls das Ganze ein bisschen für mich aufgeklärt. Und der Doc hier …»
«Freut mich, wenn ich einem alten Freund helfen konnte, Andrew.» Merrily sagte spontan: «Ich denke, ich sollte mit ihr reden.» Sie sah, dass Saltash eine Augenbraue hochzog. «Würden Sie sie mal fragen, Andy?»
«Sie glauben, Sie können das, äh, abstellen, Merrily?» Saltashs Lächeln verriet professionelle Neugier.
«Falscher Begriff, Nigel.»
«Entschuldigung. Dem Ganzen den Weg bereiten?»
«Auch das wäre wohl kontraproduktiv.»
«Sie haben also generell eher den Grundsatz, nicht einzugreifen, es sei denn, die geistige Gesundheit des Patienten ist gefährdet?»
Des Patienten. Oh Gott.
«So ähnlich», sagte Merrily.
Sie hasste das. Sie hasste es, wenn Ärzte sich am Fuß des Krankenbettes hochtrabend unterhielten, als wäre die dritte Partei schon hirntot.
«Ich hab wohl noch viel zu lernen», sagte Saltash. «Das wäre vielleicht ein Grund mitzukommen, wenn Sie die Dame treffen.»
Sie sah, dass Mumford dabei nicht wohl war. Saltash merkte es offenbar auch und lächelte auf ihn herab.
«Andrew, alter Junge … ich bin im
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