Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery
übergewichtigen alten Trottel abhauen konnte. Er sagte zu Mumford, wenn er sein fettes Gesicht noch einmal im Plascarreg sähe, würde er ihm den Kopf abhacken.
Dabei ließ er die Hand hinuntersausen wie eine Guillotine.
«Sauberer Schnitt, wie bei ’ner Scheibe Schinken, Alter.»
Und während er diese Worte sagte und diese Geste machte, trat er mit dem Absatz auf einen leeren Benzinkanister, drehte sich zu schnell um, verlor das Gleichgewicht und drohte in den Fluss zu fallen.
Danke, mein Junge.
Mumford – der die Bilder von Robbies Leiden vor sich sah, die Jason so detailliert heraufbeschworen hatte, bewegte sich so schnell vorwärts wie ein vielversprechender Athlet mit Anfang zwanzig – bewahrte den Jungen davor, in den Fluss zu fallen, und schlug ihn mit einem gezielten Hieb an den Hals zu Boden.
Jason würgte erbärmlich, doch Mumford hatte nur Jasons lässiges, selbstbewusstes Macho-Gerede im Ohr.
Wir warn seine besten Freunde, Alter. Wir haben unsern Spaß gehabt mit Robbie
.
Und zum letzten Mal hatten sie ihren Spaß mit Robbie im Schloss gehabt, oben auf dem Burgfried.
Es passte alles. Sie hatten von der Bedeutung, die der Henkersturm für Robbie hatte, gar nichts gewusst. Der Burgfried war mit seiner Treppe, die bis nach oben führte, einfach viel leichter zu besteigen. Außerdem war er praktischer, weil die Leiche nicht draußen auf dem öffentlichen Fußweg landen würde, wo jeder sie sehen konnte, sondern im Burghof, der nachts abgeschlossen war.
Jason, oder wahrscheinlich eher zwei von ihnen – Jason und der Junge mit der Kette – hatten sich vermutlich mit Robbie zusammen irgendwo im Schloss versteckt, bis es geschlossen hatte, ihn dann auf den Turm gebracht, ihn hinabgestoßen, und anschließend hatten sie in aller Seelenruhe das Gelände verlassen. Nein, Amateure waren diese Jungs nicht.
Aber warum hatte Robbie niemandem von dem Erhängen erzählt?
Oder hatte er es erzählt? Vielleicht hatte er es Mathiesson gesagt. Mumford konnte Mathiessons dreckige Lache beinahe hören: Sei ein Mann … Wehr dich gegen sie. Mathiesson hatte sich wahrscheinlich gesagt, dass Robbie die Geschichte dramatisierte. Und er hatte Angela nichts davon erzählt.
Mumford zog seinen Fuß zurück, als Jason aufzustehen versuchte. Schade, dass es nur ein Turnschuh war.
Jason duckte sich immer noch ängstlich. Vielleicht fürchtete er sich vor Mumfords Blick – Mumford, der im Geist seine arme, ertrunkene Mutter reden hörte.
Und Robbie will dir all seine Lieblingsplätze in der Stadt zeigen, nicht, Robbie? Er nickt. Er fragt immer, wann kommt Onkel Andy?
Onkel Andy, der an demselben Vormittag noch ohne weiteres zu dem Haus gegenüber von
Tesco
hätte gehen können, um sich ausführlich mit Robbie zu unterhalten, wobei er wahrscheinlich alles erfahren hätte, und dann hätte Robbie keine Zeit gehabt, zum Schloss zu gehen, und wäre noch am Leben.
Derselbe Onkel Andy, der den Gedanken nicht ertragen konnte, dass sein Vater ihn in der wunderbaren Welt des Ruhestands willkommen hieß.
An einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit hätte Andy angefangen zu weinen.
Und er war nicht dumm. Er wusste, dass das, was er jetzt tat, kein Ersatz war, und wie unwahrscheinlich es war, dass er sich danach besser fühlte.
Aber zumindest war Onkel Andy jetzt für Robbie Walsh und all die andern Robbie Walshs da, die noch von diesem Dreckskerl aufgehängt und abgeschnitten und geschlagen werden würden, der jeden Grund zu der Annahme hatte, dass die nutzlose, bürokratische, vom Jugendamt in ihre Schranken verwiesene Polizei ihm nie auch nur ein Härchen krümmen würde.
Mumford sah auf ihn hinunter.
«Dieser Fluss, Jason, der Wye, der fordert jedes Jahr ein Opfer. Das hat man sich erzählt, als ich klein war, viel jünger als du jetzt. Die Mütter hatten immer Angst, ihre Kinder in die Nähe des Wassers zu lassen, bis irgendwann irgendwo ein Toter rausgezogen wurde. Wusstest du das?»
Jason sagte nichts. Ihm lief die Spucke runter, und er hatte feuchte Augen. Seine berühmte Jacke mit den ganzen Reißverschlüssen war unter einem Arm gerissen.
«Am besten fanden sie immer, wenn’s einen alten Mann getroffen hat», sagte Mumford. «Oder einen Besoffenen. Oder einen Penner.»
Jason schniefte und rollte sich von der Uferkante weg.
«Oder einfach jemanden, den niemand vermissen würde», sagte Mumford. «Uns Kindern ist immer gesagt worden: Benehmt euch lieber, sonst seid
ihr
noch diejenigen, die keiner
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