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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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das nur erzählt hat, damit ich davon höre und Mitleid mit ihr habe. Und dann hat sie gemailt und gefragt, ob ich mit ihr nach Ludlow fahre und mit ihr vom Turm springe – also zusammen –, damit wir uns von unseren Körpern befreien.»
    «Wie meinte sie das?»
    «Weiß ich nicht. Das hatte sie alles aus dem Internet – als hätte jemand die Robbie-Geschichte völlig verdreht. Und ich konnte das alles nicht mehr ertragen, und es war spät, und da hab ich zurückgeschrieben, ja, ja, wir fahren morgen.»
    «Oh Gott», murmelte Sandy.
    «Und sie hat es wirklich getan. Sie ist gefahren. Sie ist hergekommen und ich nicht, und sie hat sich allein –»
    Sam gab einen verzweifelten Klagelaut von sich und wandte sich der Öffnung zu, als Sandy Gee «Sam!» schrie und gleichzeitig nach Lols Arm griff, der eine Bewegung in Richtung Gerüst machte.
    Er hörte, wie Sam sich aus dem Fenster übergab und dann in sich zusammensank, den Kopf in den Händen.
    Sandy zischte: «Tun Sie jetzt endlich was?»
    «Keine Merrily?»
    «Keine Spur. Sie suchen noch. Sie müssen was tun.»
    «Sandy, hören Sie –»
    «Nein, Sie hören jetzt mir mal zu …» Sandy zog ihn durch einen Torbogen, den er gar nicht bemerkt hatte, in eine winzige Kammer, von der ein Stufengang nach oben führte, der oben jedoch zugemauert war. «Es gab vorhin einen Vorfall, bei dem wir sie fast verloren hätten. Da dachte sie, Jemmie Pegler würde vor dem Fenster herumschweben … als wäre ihr Geist von der Stelle, an der sie gelegen hat, wieder emporgestiegen – das war sogar mir unheimlich, das kann ich Ihnen sagen. Und dieses Bild hatte sie auch in ihren Albträumen immer wieder vor sich gesehen, Martin, und jetzt hat sie Angst einzuschlafen und hält sich die ganze Nacht lang wach. Sehen Sie sie doch an – völlig übermüdet und überreizt. Wir müssen bald Scheinwerfer herbringen, sonst wird sie die Dunkelheit nutzen, um zu … Sie hat schon zweimal mit jemandem geredet, der nicht da ist.»
    «Was hat Nigel Saltash dazu gesagt?»
    «Er hat von Halluzinationen und psychologischen Projektionen gesprochen. Er sagt, dass – es spielt doch gar keine Rolle, was er –»
    «Dass er ihr Medikamente geben könnte?»
    «Ja, mehr oder weniger. Man sollte ja annehmen, dass ein so hochqualifizierter Psychiater auch ein erfahrener Seelsorger ist, aber wenn er mit mir so herablassend gesprochen hätte wie mit ihr, wäre ich schon vor zwei Stunden gesprungen. Ich will ja gar nicht kritisieren, was er macht, ich meine nur, wenn sie von Jemmie Pegler halluziniert und von ihrem Gerede über Dicke und die Befreiung von ihren Körpern –»
    «Jemmie war ganz offensichtlich dominant und parasitenhaft», sagte Lol. «Egal, von welcher Warte aus man das betrachtet – so etwas verschwindet nicht unbedingt mit dem Tod.»
    «Das werden Sie besser wissen als ich. Aber heute Morgen stand das mit dem Exorzismus in der Zeitung und, wie Steve immer sagt, Sam hat bestimmt diese Filme gesehen. Sie ist davon überzeugt, dass sie verfolgt wird.»
    «Sie ist überzeugt, dass sie es verdient, verfolgt zu werden.»
    «Genau. Von Jemmie und von Robbie Walsh und von dem Gedanken an diesen Ort. Also ist sie in den Zug gestiegen, und jetzt ist sie hier, in dem berühmten Henkersturm, und fragt sich, warum es keinen Exorzismus gibt. Also erzählen Sie mir bitte nicht, dass wir noch warten sollen, Martin, denn wenn es erst einmal dunkel ist, dann wird alles noch unwirklicher für sie. Und Sie sind leider im Moment der einzige Pfarrer, den wir hier haben.»

46  Feuerrost
    Merrily wusste nicht, was sie erwartet hatte, sie war einfach weitergegangen, ehe sie ihre Meinung ändern konnte, und der Geruch – die Geruchsmischung – war so intensiv und überwältigend, als würde ihr Dreck ins Gesicht geschmiert.
    Oh Gott, Gott, Gott …
    Was sie sah … es gab nichts, womit sie das vergleichen konnte. Man konnte jahrelang auf dem Land leben und es schaffen, niemals ein Schlachthaus zu betreten.
    «Gehen Sie nicht rein», flüsterte George Lackland. «Bitte gehen Sie nicht rein.»
    «Nein.»
    Sie stand im Türrahmen. Es war nicht nötig hineinzugehen. Wie viele Sekunden oder Minuten stand sie schon hier? Sie hörte George hinter sich atmen. Drinnen war kein Atem zu hören, keine Bewegung zu sehen, nichts. Nur stinkende Stille, als wäre alles drum herum erstarrt.
    Oh Gott, Gott, Gott.
    Was es noch schlimmer machte, war, dass Jonathan – es war doch Jonathan, oder? Sieh hin, du

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