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Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery

Titel: Das Lächeln der Toten • Ein Merrily-Watkins-Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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von Marion de la Bruyère zur letzten Ruhe gebettet hatte. Die Eibe warf einen dunklen, kreisförmigen Schatten. Sie war wahrscheinlich mehrere hundert Jahre alt. Und hinter dem Baum ragte der schwindelerregend steile Felshang empor … und darüber die Mauer … der Turm … der Himmel. In die Mauern des Turmes waren ungefähr ein Dutzend schwarze Fensterlöcher gehauen worden, unregelmäßig, wie Löcher im Käse.
    «Aus einem davon ist dieses Mädchen gefallen, Jemima», sagte Jon Scole. «Nach dem, was die Leute sagen, sah sie gar nicht so schlimm aus. Bei mir wird sie auch irgendwann vorkommen müssen. Sie wird Teil der Legende werden. Finden Sie das geschmacklos?»
    «Es ist Ihr Job», sagte Merrily.
    Sie gingen den Linney hinunter – es war sehr steil, zu eng für Autos, vor Zeiten waren alte Häuser direkt an die Schlossmauer angebaut worden. Jon erzählte Merrily von seinen Versuchen, eine Art Beziehung zu Bell Pepper aufzubauen, deren Wehrhaus unter ihnen lag, versteckt zwischen all den borstigen Kiefern.
    Als er ihren Gesichtsausdruck sah, wich er mit erhobenen Händen einen Schritt zurück, mit wirrem blondem Haar und klirrenden Ketten.
    «Nein! Nicht
die
Art Beziehung. Wenn ich mit ihr zusammen bin, achte ich immer genau darauf, dass wir uns nicht einmal versehentlich berühren. Abgesehen davon, dass wir nicht gerade Altersgenossen sind, würde es ja auch jede Geschäftsbeziehung ruinieren.»
    Es war sicher richtig, dass er aufpasste. Es war zum Beispiel unwahrscheinlich, dass sich Callum Corey noch einmal ins Wehrhaus locken ließ – ganz gleich, wie viel Geld auf dem Tisch lag.
    «Was für eine Geschäftsbeziehung schwebte Ihnen denn vor?»
    «Weiß nicht genau, aber wenn
ich
kein Geld mit ihr machen kann, wer dann?»
    «Verkaufen Sie in Ihrem Laden auch ihre Alben?»
    «Das ist ein wunder Punkt, Mary. Ich hab ihre Alben verkauft –
Nachtschatten
, sehr stimmungsvolles Cover. Und dann kam eines Nachmittags Doug Lackland vorbei, Georges ältester Sohn, und hat mich beiseitegenommen.» Jon ahmte den Akzent nach. «‹Wir wollen doch nicht noch betonen, dass sie hier lebt, oder, Jonathan?› Und dann hat Dougie die CDs alle aufgekauft.»
    Sie gingen an der ansteigenden Steinmauer entlang zu dem Spazierweg unter dem Schloss, auf dem einst, wie Jon sagte, sittsame edwardianische Ladies mit dem Sonnenschirm flaniert waren.
    «Sehen Sie den Felsvorsprung da?», sagte er. «Da muss Jemmies Hinterkopf aufgeschlagen sein, denn der sah ziemlich schlimm aus, wissen Sie? Aber ihr Gesicht war unversehrt, heißt es. Es ist eine ziemlich – wie soll man das nennen? – elementare Art und Weise zu sterben.»
    «Die Leute sagen, man ist tot, ehe man auf dem Boden aufkommt», sagte Merrily. «Oder vielleicht gilt das nur, wenn sich der Fallschirm nicht öffnet.» Sie sah auf. «Aber dafür scheint es nicht hoch genug zu sein.»
    Die Wolken, von Merrilys Brillengläsern lila gefärbt, wurden immer mehr zu Regenwolken. Sie ging zu einer gezackten Spalte im Felsenfundament des Schlosses. Es sah aus wie der Anfang einer Höhle oder eine Vertiefung, in die eine Statue gestellt werden sollte – ein natürlicher Schrein. Jemand hatte einen kleinen Blumenstrauß hineingelegt: Anemonen.
    «Sie muss sich jeden einzelnen Knochen gebrochen haben», sagte Jon Scole.
    «Ich dachte, Sie hätten gesagt –?»
    «Nein, ich meine Marion. Damals muss hier nackter Fels gewesen sein. Und sie ist wahrscheinlich von ganz oben gesprungen.»
    «Eine sehr gewaltsame Art zu sterben», sagte Merrily. «Ein Sturm der Gefühle. Sie war verraten worden, aber sie hatte auch gerade den Mann getötet, den sie liebte. Totale Verzweiflung.»
    «Sie klingen wie Robbie», sagte Jon.
    «Was?»
    «Robbie … So hat er auch darüber geredet. Dieser magere Junge mit seiner Wollmütze. Er hat zwar nicht so große Worte benutzt wie ‹Verzweiflung›, aber er hat von all diesen feindlichen Kriegern erzählt, die mit ihren Schwertern und Messern die Strickleiter hochgekommen sind. Und den überraschten Wachmännern wurde die Kehle durchgeschnitten. Die Steinstufen waren voller Blut, sodass man ausrutschte. Marion lief sie hinauf, mit blutigem Nachthemd und verschmierten Händen, nachdem sie, wie Sie sagen, den Mann, den sie liebte, zu Tode gemetzelt hatte. Ich erinnere mich, dass Robbie gesagt hat, ihr wäre so übel gewesen, dass sie auf der Treppe stehen bleiben musste, um sich zu übergeben. Ich meine, das kommt doch nicht in der Legende vor,

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