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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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faulen Zähne schlug mir entgegen. Ich rollte
mich hastig zur Seite, während er einen verzweifelten
rasselnden Atemzug machte. Dann zuckte er heftig und sank in sich
zusammen, als sei irgend etwas in ihm explodiert. Einen Augenblick
später schoß ein Blutschwall aus seinem offenen
Mund.
    Irgendwo ganz weit weg
schrie Bethesda. Ein großes, massives totes Etwas lag schwer
auf mir, zuckend und Galle ausstoßend, bis meine Augen blind
und Nase und Mund bedeckt, ja selbst meine Ohren verstopft waren.
Ich versuchte, mich freizustrampeln, lag jedoch hilflos da, bis
Bethesda mir zur Hilfe kam. Schließlich rollte die massive
Leiche auf den Rücken und starrte mit hängendem Kinn zur
Decke.
    Ich kämpfte mich
auf die Knie. Wir klammerten uns aneinander, beide so heftig
zitternd, daß wir uns kaum umarmen konnten. Ich spuckte Blut
und schnaubte und wischte mir das Gesicht am Oberteil ihres
sauberen weißen Gewands ab. Wir streichelten uns und
stammelten sinnlose Worte des Trostes wie Überlebende einer
gewaltigen Verwüstung.
    Die Lampe brannte
zischend nieder und warf zitternd groteske Schatten an die Wand, so
daß es aussah, als ob die unbeweglichen Leichen noch zuckten.
Die eigenartige Geographie der Nacht jedoch war ungebrochen: Wir
waren Liebende aus einem Gedicht, die sich nackt und halbnackt auf
Knien an einem großen, stillen See umarmten. Nur daß
der See aus Blut war - so viel Blut, daß ich mein Spiegelbild
darin sehen konnte. Ich starrte mir in die Augen und kam mit einem
Schock zur Besinnung. Mir wurde endlich bewußt, daß ich
mich nicht in einem Alptraum befand, sondern mitten im Herzen der
großen, schlummernden Stadt Rom.

22
    »Ganz
offensichtlich«, sagte ich, »war die Botschaft als
Warnung an dich gemeint, Cicero.«
    »Aber wenn er
vorhatte, dich und deine Sklavin zu ermorden, warum hat er dann
nicht erst das Gemetzel erledigt?
    Warum hat er dich
nicht einfach im Schlaf ermordet und die Botschaft hinterher
geschrieben?«
    Ich zuckte die
Schultern. »Weil er schon genug Blut zur Verfügung
hatte, welches aus Zoticus’ aufgeschlitzter Kehle sprudelte.
Weil im Haus alles ruhig war und er keine Angst hatte, daß
ich aufwachen würde. Weil er, wenn er die Botschaft bereits
geschrieben hatte, für den Fall, daß es irgendwelche
unvorhergesehene Komplikationen geben oder wir vor unserem Tod
schreien würden, das Haus sofort verlassen konnte. Vielleicht
hat er auch auf einen weiteren Mörder gewartet. Ich weiß
es nicht, Cicero. Ich kann nicht für einen Toten sprechen.
Aber er wollte mich umbringen, dessen bin ich sicher. Und die
Warnung war für dich.«
    Der Mond war
untergegangen. Die dunkelsten Stunden der Nacht waren angebrochen,
auch wenn die Dämmerung nicht mehr fern sein konnte. Bethesda
befand sich irgendwo in den Sklavenquartieren und schlief fest, wie
ich hoffte. Rufus, Tiro und ich saßen inmitten von zischenden
Kohlenbecken, während unser Gastgeber grimassierend und sein
Kinn reibend auf und ab lief.
    Sein Gesicht wirkte
abgespannt, und sein Kinn war mit Stoppeln übersät, aber
seine Augen blitzten und funkelten alles andere als schläfrig
- so hatte er ausgesehen, als Bethesda und ich nach einer
mitternächtlichen Flucht durch die halbe Stadt an seine
Tür klopften. Erstaunlicherweise war Cicero noch wach und das
Haus hell erleuchtet gewesen. Ein Sklave mit verquollenen Augen
hatte uns ins Arbeitszimmer geführt, wo Cicero mit einem
Bündel Pergamentrollen in den Händen laut lesend auf und
ab ging, wobei er gelegentlich an einer Schale dampfender
Lauchsuppe nippte - Hortensius’ Geheimrezept, um die Stimme
geschmeidiger zu machen.
    Er hatte unter Tiros
Mithilfe fast den kompletten ersten Entwurf seiner Rede zur
Verteidigung von Sextus Roscius fertiggestellt, nachdem er den
ganzen Abend ohne Pause daran gearbeitet hatte. Er hatte sie an
Tiro und Rufus ausprobiert, als wir blutbespritzt und zitternd vor
seiner Tür ankamen.
    Bethesda verschwand
schnell in der Obhut von Ciceros Haushälterin, die versprach,
sich um sie zu kümmern. Cicero bestand darauf, daß ich
mich zuallererst wusch und eine frische Toga anlegte. Ich hatte
mein Bestes getan, aber im Licht der Lampen in seinem Arbeitszimmer
entdeckte ich immer wieder kleine Spritzer getrockneten Bluts an
Fingernägeln und Füßen.
    »Jetzt liegen
also zwei Leichen in deinem Haus«, sagte Cicero und rollte
die Augen. »Na gut, ich werde morgen jemand vorbeischicken,
der sich darum kümmert. Weitere Kosten! Der Besitzer von
Zoticus wird

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