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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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kaum gezähmt; in seinen Augen glomm ein
glühendes Rot, das kein Widerschein der Lampen war. Er machte
einen fast unnatürlich kräftigen und soliden Eindruck,
als ob er aus Baumstämmen oder Granitblöcken gemacht sei;
selbst sein Gesicht sah aus, als sei es aus Stein gemeißelt,
ein vom Künstler wegen seiner Grobschlächtigkeit
verworfener Rohentwurf. Sein Haar und sein Bart waren lang und
zottig, aber nicht verwahrlost, und seine Tunika war aus gutem
Stoff. Diese Kleidung ließ einen verantwortungsbewußten
Besitzer erkennen. Er sah so gut gepflegt aus wie ein edles Pferd.
Außerdem sah er aus, als könne er einen Menschen mit
bloßen Händen töten. Er war genau der Mann, den ich
wollte. Sein Name war Zoticus.
    »Der
Lieblingsleibwächter seines Herrn«, versicherte Varus.
»Der Mann tut keinen Schritt aus dem Haus, ohne Zoticus an
seiner Seite zu wissen. Ein bewährter Totschläger -hat
erst letzten Monat das Genick eines Einbrechers gebrochen. Und
kräftig wie ein Ochse, da kannst du sicher sein. Riechst du
seine Knoblauchfahne? Sein Herr verfüttert es an ihn wie Hafer
an ein Pferd. Ein alter Gladiatorentrick zur Kräftigung. Sein
Herr ist ein wohlhabender und respektabler Besitzer von drei
Bordellen, zwei Tavernen und einer Spielhalle hier in der Subura;
ein Mann, der auf dieser Welt keinen Feind hat, dessen bin ich
sicher, aber er schützt sich gerne gegen das Unvorhersehbare.
Wer würde das nicht? Macht keinen Weg ohne seinen treuen
Zoticus. Aber weil er Varus einen Gefallen schuldet,
überläßt er mir die Kreatur ausnahmsweise als
Leihgabe - für die vier Tage, um die du gebeten hast, nicht
länger. Um eine lange zurückliegende Schuld bei mir zu
begleichen. Du kannst dich wahrhaft glücklich schätzen,
Gordianus, Varus den Mittler als Freund zu haben.«
    Wir feilschten um die
Bedingungen, und ich ließ ihn ein viel zu gutes Geschäft
machen, weil mich die Sorge zu Bethesda zurücktrieb. Aber der
Sklave war sein Geld wert; als wir durch das Gedränge der
Subura schritten, merkte ich, wie die Leute Platz machten, uns
auswichen und eingeschüchterte Blicke über meinen Kopf
hinweg auf das Ungeheuer hinter mir warfen. Zoticus sprach wenig,
was mich weiter für ihn einnahm. Als wir den Pfad zu meinem
Haus hinaufstiegen und den Lärm der Subura hinter uns
ließen, schwebte er über mir wie ein Schutzgeist und
hatte die ganze Zeit ein wachsames Auge auf die Schatten um uns
herum.
    Als wir in Sichtweite
des Hauses kamen, hörte ich, wie sein Atem schneller ging, und
spürte seine Hand wie einen Ziegelstein auf meiner Schulter.
Vor der Tür stand ein fremder Mann mit verschränkten
Armen. Er wies uns an, stehenzubleiben, und zückte dann aus
einem Ärmel einen langen Dolch. Einen Augenblick später
fand ich mich hinter Zoticus wieder, und während die Welt an
mir vorbeisauste, sah ich in den Augenblicken eine lange Klinge in
seiner Faust.
    Klappernd öffnete
sich die Haustür, und ich hörte Bethesda lachen und dann
erklären. Anscheinend hatte ich Cicero falsch verstanden. Er
hatte nicht nur angeboten, einen Leibwächter zu bezahlen; er
hatte sich sogar die Mühe gemacht, den Mann persönlich
vorbeizuschicken. Nur eine Minute, nachdem ich das Haus verlassen
hatte, hatte es an der Tür geklopft. Bethesda hatte das Pochen
zunächst ignoriert und dann schließlich durch das
Fenstergitter gespäht. Der Mann hatte nach mir gefragt;
Bethesda hatte vorgegeben, daß ich mich im Haus aufhielt,
jedoch unpäßlich sei. Er hatte Ciceros Namen genannt,
seine Empfehlung übermittelt und erklärt, daß er
geschickt worden sei, das Haus zu bewachen, wie sich ihr Herr
bestimmt erinnern würde. Und ohne ein weiteres Wort hatte er
seinen Posten bei der Tür bezogen.
    »Zwei sind auf
jeden Fall besser als einer«, fand Bethesda, und ich
spürte einen Stich, als sie beide nacheinander eingehend
betrachtete. Und vielleicht war es dieses winzige Aufflammen von
Eifersucht, das mich das Offensichtliche übersehen ließ.
Ich hätte schwerlich sagen können, welcher von beiden
häßlicher oder größer oder
einschüchternder war oder welchen Bethesda faszinierender zu
finden schien. Ohne seinen roten Bart und das rötliche Gesicht
hätte der andere Zoticus’ Bruder sein können. Sie
musterten sich wie unter Gladiatoren üblich, mit
aufeinandergepreßten Zähnen und Basiliskenblick, als ob
das kleinste Zucken ihrer Lippen die Aufrichtigkeit ihrer
gegenseitigen Verachtung trüben könnte.
    »Na gut«,
sagte ich, »heute nacht lassen wir

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