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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Schichten
Roms bei ihren Häusern traditionell jeden Prunk, zumindest
nach außen. Sie halten das für eine Frage des guten
Geschmacks. Ich habe allerdings eher den Verdacht, daß es
etwas mit ihrer Furcht zu tun hat, eine vulgäre
Zurschaustellung ihres Reichtums könnte den Neid des
Pöbels wecken. Überdies sollte man bedenken, daß
eine kostspielige Außendekoration wesentlich leichter zu
stehlen ist als das, was man sicher im Innern des Hauses
ausstellt. 
    Solche Kargheit und
Zurückhaltung gelten nach wie vor als ein Ideal. Trotzdem habe
ich im Verlauf meines Lebens eine deutliche Neigung zur
öffentlichen Opulenz feststellen können. Das gilt
besonders für die Jungen und Ehrgeizigen, vor allem
diejenigen, deren Reichtum mit dem Erwachen des Bürgerkriegs
und Sullas Triumph zu sprudeln begonnen hatte. Sie stocken ihre
Häuser um eine Etage auf, legen auf ihren Dächern
Porticos an und stellen aus Griechenland importierte Statuen
auf.
    Nichts dergleichen in
der Straße, in der Cicero lebte. Der Anstand regierte. Die
Häuser drehten der Straße ihren Rücken zu und waren
nach innen gewandt; einem Fremden, der vorbeikam, hatten sie nichts
zu sagen, sie bewahrten ihr geheimes Innenleben für die
Privilegierten, die Zutritt hatten.
    Die Straße war
kurz und ruhig. An keinem Ende gab es Marktstände; fliegende
Händler wußten, daß sie die Stille besser nicht
störten. Unter mir graue Pflastersteine, über mir der
blaßblaue Himmel und zu beiden Seiten ausgebleichter Putz,
vom Regen verwaschen und von der Hitze rissig; sonst waren keine
Farben erlaubt, am allerwenigsten grün - kein einziges
unbotmäßiges Kraut sproß irgendwo aus dem
Pflaster, von einer Blume oder einem Baum ganz zu schweigen. Sogar
die Luft, die geruchlos und heiß vom Boden aufstieg, atmete
die sterile Reinheit römischer Tugend.
    Selbst inmitten solch
allgemeiner Zurückhaltung wirkte Ciceros Haus besonders karg.
Es war ironischerweise so unauffällig, daß es einem
schon wieder ins Auge fiel - dort, so könnte man meinen, dort
steht die ideale Wohnstatt für einen wohlhabenden Römer
von äußerst seltener römischer Tugendhaftigkeit.
Das kleine Haus sah so schmal und bescheiden aus, daß man es
für die Behausung einer vormals reichen römischen Matrone
hätte halten können, die jetzt als Witwe zu einer
bescheideneren Lebensführung gezwungen war; oder vielleicht
das Stadthaus eines vermögenden Bauern vom Lande, der nur
gelegentlich geschäftlich in der Stadt zu tun hatte und
bestimmt nie Urlaub machte; oder aber (und so war es in der Tat)
ein solch bescheidenes Haus in einer so unauffälligen
Straße gehörte einem Junggesellen mit erheblichen
Mitteln und altmodischen Wertvorstellungen, ein in die Stadt
gezogener Sohn auf dem Lande lebender Eltern, der sich aufgemacht
hatte, sein Glück in den besseren Kreisen Roms zu machen, ein
junger Mann von strenger römischer Tugend, der so
selbstbewußt war, daß nicht einmal seine Jugend und
sein Ehrgeiz ihn zu vulgären modischen Fehltritten verlocken
konnten.
    Tiro klopfte an die
Tür.
    Kurz darauf wurde sie
von einem Sklaven mit grauem Bart geöffnet. Der Alte hatte
wohl eine Art Schüttellähmung, denn sein Kopf war in
ständiger Bewegung, wackelte auf und ab und von links nach
rechts und zurück. Es brauchte eine Weile, bis er Tiro erkannt
hatte, wobei er linste und blinzelte und seinen Kopf mit dem
schlanken Hals vorstreckte wie eine Schildkröte. Das Nicken
hörte gar nicht auf. Schließlich lächelte er ein
zahnloses Lächeln, trat zur Seite und riß die Tür
weit auf.
    Das Foyer war
halbkreisförmig angelegt, wobei sich die gerade Wand in
unserem Rücken befand. In der geschwungenen Wand vor uns waren
drei Türen, jeweils flankiert von schmalen Säulen und von
einem Giebel gekrönt. Die dahinter liegenden Korridore wurden
von prächtigen roten Vorhängen verdeckt, deren Saum
kunstvoll mit einem gelben Akanthus-Motiv bestickt war. Griechische
Stehlampen in beiden Ecken und ein nicht sonderlich originelles
Bodenmosaik (Diana auf der Jagd nach einem Eber)
vervollständigten die Inneneinrichtung. Es war genau, was ich
erwartet hatte. Die Vorhalle war ähnlich zurückhaltend
und geschmackvoll eingerichtet, um einen Gegensatz zu der strengen
Fassade zu vermeiden, und doch so teuer ausgestattet, daß
sich jeder Gedanke an Armut von vornherein verbot.
    Der alte
Türsteher machte uns ein Zeichen zu warten. Schweigend und
lächelnd verschwand er hinter dem Vorhang, der die Tür zu
unserer Linken

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