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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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stellte mir vor, wie
Magnus sich persönlich darum kümmerte und konnte mir bei
dem Gedanken an den finsteren Mörder, der wie eine Putzfrau
auf allen vieren hockte, ein Lächeln nicht
verkneifen.
    Ich machte ein paar
Schritte nach vorn, bis ich einen Blick in den düsteren Laden
werfen konnte. Der alte Mann saß hinter dem Tresen, den Kopf
auf die Ellenbogen gestützt und die Augen geschlossen. Die
Frau staubte die spärlich gefüllten Regale und Tische ab.
Der Laden atmete einen moderigen, kühlen Gestank aus mit einem
Hauch von fauliger Süße und Moschus.
    Ich betrat das
Mietshaus gegenüber. Der Wächter fürs
Erdgeschoß war nirgends zu sehen. Sein kleiner Kollege im
ersten Stock war mit weit offenem, sabberndem Mund und einem
halbvollen Becher Wein in der Hand eingeschlafen, den er so
schräg hielt, daß er mit jedem Schnarcher ein paar
Tropfen verschüttete.
    Unter meiner Tunika
tastete ich nach dem Knauf des Messers, das der Junge mir gegeben
hatte. Ich blieb lange stehen und fragte mich, was ich einem von
beiden sagen könnte. Der Witwe Polia, daß ich die Namen
der Männer kannte, die sie vergewaltigt hatten? Daß
einer von ihnen, Rotbart, tot war? Dem kleinen Eco, daß er
sein Messer zurückhaben konnte, weil ich nicht die Absicht
hatte, Magnus oder Mallius Glaucia für ihn zu
töten?
    Ich schritt den
langen, dunklen Flur entlang. Die Dielen ächzten und
stöhnten lauter als die gedämpften Stimmen, die aus den
Kammern nach draußen drangen. Wer würde sich an einem
solchen Tag drinnen im Dunkeln verkriechen? Die Kranken, die Alten,
die Gebrechlichen und Verkrüppelten, die Schwachen, die
Verhungernden und Lahmen. Die Uralten, die zu nichts mehr zu
gebrauchen waren, und die Säuglinge, die noch nicht laufen
konnten. Es gab keinen Grund, warum Polia und ihr Sohn
überhaupt zu Hause sein sollten, und doch pochte mir das Herz
im Hals, als ich an der Tür klopfte.
    Ein junges
Mädchen riß die Tür weit auf, so daß ich den
ganzen Raum einsehen konnte. Ein altes Weib saß in Decken
gehüllt in einer Ecke. Ein kleiner Junge kniete am offenen
Fenster. Er blickte sich über die Schulter nach mir um und
beobachtete dann weiter die Straße. Abgesehen von
Größe und Form sah das Zimmer völlig verändert
aus.
    Aus den Decken
musterten mich zwei wäßrige Augen. »Wer ist da,
Kind?«
    »Ich weiß
nicht, Großmutter.« Das kleine Mädchen starrte
mich argwöhnisch an.
    »Was wollen
Sie?«
    Das kleine
Mädchen setzte ein ärgerliches Gesicht auf. »Meine
Großmutter möchte wissen, was du hier
willst?«
    »Polia«,
sagte ich.
    »Nicht
da«, sagte der Junge vom Fenster.
    »Dann muß
ich mich in der Tür geirrt haben.«
    »Nein«,
sagte das kleine Mädchen verärgert. »Die richtige
Tür. Aber sie ist nicht mehr hier.«
    »Ich meine die
junge Witwe und ihren Sohn, den kleinen, stummen
Jungen.«
    »Ich
weiß«, sagte sie und sah mich an, als ob ich
beschränkt wäre. »Aber Polia und Eco wohnen hier
nicht mehr. Zuerst ist sie verschwunden, dann er.«
    »Weg«,
ergänzte die Alte. »So haben wir endlich dieses Zimmer
gekriegt. Vorher haben wir gegenüber gewohnt, aber hier ist
mehr Platz. Genug für uns alle fünf - meinen Sohn, seine
Frau und die beiden Kleinen.«
    »Mir
gefällt es besser, wenn Mama und Papa nicht da sind und wir
nur zu dritt sind«, sagte der Junge.
    »Halt den Mund,
Appius«, fuhr ihn das Mädchen an. »Eines Tages
werden Mama und Papa ausgehen und nie wiederkommen, genau wie bei
dem kleinen Eco. Sie verschwinden einfach, wie Polia. Du wirst sie
mit deinem dauernden Geschrei noch vertreiben. Dann werden wir ja
sehen, wie dir das gefällt.«
    Der kleine Junge fing
an zu weinen. Die alte Frau schnalzte mit der Zunge. »Was
soll das heißen?« sagte ich. »Polia ist
verschwunden, ohne den Jungen mitzunehmen?«
    »Ja, sie hat ihn
verlassen«, sagte die alte Frau gleichgültig.
    »Das glaube ich
nicht.«
    Sie zuckte die
Schultern. »Konnte die Miete nicht bezahlen. Der Vermieter
hat ihr zwei Tage zum Ausziehen gegeben. Am nächsten Morgen
war sie weg. Hat alles mitgenommen, was sie tragen konnte, und hat
den Jungen sich selbst überlassen. Am nächsten Tag kam
der Vermieter, sammelte die wenigen Habseligkeiten ein und setzte
den Jungen auf die Straße. Eco hat danach noch ein paar Tage
hier herumgelungert. Er hat den Leuten leid getan, und sie haben
ihm ein paar Brocken zu essen gegeben. Schließlich haben ihn
die Wächter endgültig verscheucht. Bist du ein Verwandter
von ihnen?«
    »Nein.«
    »Naja,

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