Das Lächeln des Cicero
tot
waren.
Ich ging weiter in
südlicher Richtung und folgte einem Trampelpfad, der vorbei an
Hinterhöfen von Mietshäusern führte, Gassen kreuzte
und sich durch Grünflächen schlängelte. Frauen
riefen sich von einer Straßenseite zur anderen etwas zu; ein
Kind weinte, und seine Mutter stimmte ein Schlaflied an; ein Mann
brüllte mit betrunkener und schläfriger Stimme nach Ruhe.
Die Stadt, von der Wärme träge und wohlwollend gestimmt,
schien mich zu verschlucken.
Ich passierte die
Porta Fontinalis und schlenderte ziellos weiter, bis sich hinter
einer weiteren Biegung das verkohlte Ungetüm eines
ausgebrannten Mietshauses vor mir erhob. Schwarze Fenster
öffneten sich in den blauen Himmel, und ich beobachtete, wie
krachend eine Mauer zusammenbrach, von Sklaven mit langen Seilen
zum Einsturz gebracht. Das Gelände um das Haus war mit
schwarzer Asche bedeckt, überall sah man kleine Haufen von
verkohlten Gewändern und Überresten diverser
Haushaltsgegenstände - ein billiger Topf, der in der Hitze
geschmolzen war, das schwarze Skelett eines Webstuhls, ein langer
spitzer Knochen, der entweder einem Menschen oder einem Hund
gehört hatte. Bettler filzten die kümmerlichen
Reste.
Ich wandte mich ab und
entfernte mich so hastig, daß ich kaum bemerkte, wohin ich
ging. Ich lief gegen einen halbnackten, rußbedeckten Sklaven,
der ein Seil über die Schultern hängen hatte. Das Seil
straffte sich, er stieß mich zur Seite und rief mir zu, ich
solle aufpassen. Ein Teil der Außenmauer landete krachend vor
meinen Füßen und zersprang wie ein hartes Stück
Lehm in tausend Teile. Wäre ich nicht mit dem Sklaven
zusammengestoßen, wäre ich wahrscheinlich direkt unter
die zusammenstürzende Mauer gelaufen und auf der Stelle tot
gewesen. Statt dessen wehte eine Rußwolke harmlos um meine
Knie und schwärzte den Saum meiner Tunika.
Ich setzte meinen
ziellosen Weg fort, meine Füße ebensowenig beachtend wie
meinen Herzschlag oder Atem. Doch es konnte kaum ein Zufall sein,
daß ich genau den Weg einschlug, den ich mit Tiro am ersten
Tag unserer Ermittlungen gegangen war. Ich fand mich unvermittelt
auf demselben Platz wieder, beobachtete dieselben Frauen beim
Wasserholen am Brunnen und verscheuchte dieselben trägen
Kinder und Hunde. Bei der Sonnenuhr blieb ich stehen und zuckte
zusammen, als derselbe Bürger vorbeikam, den ich nach dem Weg
zum Haus der Schwäne gefragt hatte, den Rezitator von
Schauspielen und Verächter der Zeitmessung. Ich hob die Hand
und öffnete den Mund, um ihm einen Gruß zuzurufen. Er
blickte auf und starrte mich merkwürdig an, beugte sich dann
mürrisch zur Seite, um mir unmißverständlich
klarzumachen, daß ich seinen Blick auf die Sonnenuhr
versperrte.
Mit einem
verächtlichen Schnauben registrierte er die Uhrzeit, starrte
mich erneut unwillig an und eilte dann weiter. Es war
überhaupt nicht derselbe Mann gewesen, und in Wahrheit bestand
kaum mehr als eine flüchtige Ähnlichkeit.
Ich ging die enge
Straße zum Haus der Schwäne hinunter, an den
fensterlosen Mauern mit den Wandleuchtern vorbei, den
heruntergebrannten Fackeln und den Schmierereien, die entweder
politisch oder obszön oder auch beides waren. (P. CORNELIUS
SCIPIO ZUM QUAESTOR, EIN MANN, DEM MAN VERTRAUEN KANN, lautete
einer der Sprüche, der mit eleganter Hand an die Mauer
geschrieben war, und daneben hastig hingeschmiert: P. CORNELIUS
SCIPIO WÜRDE NOCH EINE BLINDE HURE BETRÜGEN UND IHR EIN
HÄSSLICHES KIND ANDREHEN.)
Ich kam an der
Sackgasse vorbei, in der Magnus und seine beiden Kumpane auf der
Lauer gelegen hatten. Ich mied den blassen Blutfleck, der die
Stelle markierte, an der der alte Sextus Roscius gestorben war. Es
war noch düsterer als bei meinem ersten Besuch, aber der Fleck
war unschwer auszumachen, weil das Pflaster drumherum erkennbar
sauberer war als die übrige Straße. Jemand hatte die
Stelle gesäubert, nach Leibeskräften geschrubbt, um das
Blutmal ein für allemal zu tilgen. Es mußte Stunden in
Anspruch genommen haben, und das alles vergeblich - denn jetzt war
der Fleck noch auffälliger als vorher, und alle
vorbeikommenden Füße und rußgeschwängerten
Winde mußten ihn nun mit einem neuen Schmutzfilm
überziehen, um ihn wieder in der Straße verschwinden zu
lassen. Wer hatte hier stundenlang auf Händen und Knien mit
Scheuerlappen und Eimer geschuftet, bei dem verzweifelten Versuch,
die Vergangenheit auszulöschen? Die Frau des Ladenbesitzers?
Die verwitwete Mutter des stummen Jungen? Ich
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